Eine glückliche Ehe
Alter Junge!« Er schien sich zu freuen, als habe er eine Million in der Lotterie gewonnen.
In Wegeners Adern erstarrte das Blut. Über zwanzig Jahre waren weggewischt. Hier saß jemand neben ihm, der genau wußte, daß er Peter Hasslick war. Immer hatte er damit gerechnet, daß eine solche Situation eintreten könnte. Man lebt ja nicht allein auf der Welt, und es gab genug Überlebende der 3. Kompanie. Aber zwanzig Jahre lang war alles gut gegangen, sein Bild war in den Zeitungen erschienen, und keiner hatte sich gemeldet: Das ist gar nicht Wegener, das ist Hasslick. Und jetzt, auf dem Flug von Rom nach Köln hatte ihn die Vergangenheit wieder im Griff.
»Ich – ich kann mich nicht erinnern«, sagte Wegener lahm. Alles, was er sich für einen solchen Fall vorgenommen hatte, war weggewischt. Rudi Velbert lachte gemütlich. Sein gedunsenes Gesicht war gerötet.
»Aber du warst doch bei der 3. Kompanie in Baranowitschi! Mensch, wir haben doch zusammen die Gans geklaut, weißt du das nicht mehr? Da hatte ein russischer Bauer eine Gans versteckt, aber wir haben sie gehört, und in der Nacht … Peter, wie geht's dir?! Siehst blendend aus! Warst du nicht Schlosser? Hast wohl jetzt eine Fabrik, was? Wirtschaftswunder! Was stellst du denn her? Schrauben, Federn, Zubehör?« Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Ich wohne übrigens in Hamburg. Habe eine Praxis in St. Pauli. Bin Rechtsanwalt. Habe sogar nach dem Krieg noch meinen Dr. jur. gebaut. Aber irgendwie hänge ich schief. Bin nie ans große Geld gekommen. Jetzt verteidigte ich Huren und Zuhälter … kein gutes Geschäft. Aber man schlägt sich so durch. Für Whisky und Weiber reicht es immer, hahaha! Wohnst du noch in … na, wie hieß der Ort. Irgendwo dort bei Westfalen.«
»Osnabrück …«, sagte Wegener stumpf.
»Stimmt! Mensch, Peter! Daß wir uns so wiedertreffen! Schade, daß ich in Köln umsteigen muß in die Maschine nach Hamburg. Was hätten wir uns alles zu erzählen! Fährst du mit der Bahn nach Osnabrück?«
»Nein, ich werde abgeholt.«
»Ist auch bequemer.« Dr. Velbert nahm von der Stewardeß eine Tasse Kaffee entgegen, Wegener lehnte ab. Ihm war die Kehle zugeschnürt.
»Darf ich Ihnen etwas anderes bringen, Herr Wegener?« fragte die Stewardeß.
»Nein, danke!« antwortete Wegener heiser.
Die Gräber brachen auf. Dr. Velbert starrte Wegener verblüfft an.
»Was hat sie gesagt? Wegener?«
»Sie verwechselt mich.«
»Wegener! Wir hatten doch einen Fähnrich Wegener in der Kompanie. Richtig, Hellmuth Wegener. Feiner Kerl! Ihr wart Freunde. War der Wegener nicht Medizinstudent?! Bei dem Scheißrückzug ging ja dann alles durcheinander, und ihr wurdet versprengt, wie das damals hieß. Sag mal – wieso sagt die zu dir Wegener?« Dr. Velbert beugte sich zu Wegener hinüber. »Du bist doch Peter Hasslick! Dafür laß ich mich kastrieren! Wegener sah ganz anders aus …« Er legte den Arm um Wegeners Schulter und zog ihn näher an sich. »Junge, alter Kumpel, was ist da los? Erzähl mal! Was wird hier gespielt? Ich bin doch kein Schwachhirn! Ich sehe doch, daß ihr zwei einen Trick gemacht habt. Los, laß den guten Rudi mitmischen!«
Er hat mich, dachte Wegener kalt. Jetzt hat er mich ganz und gar. Es gibt kein Entrinnen! Jetzt heißt es: du oder ich … Oder – wir beide?
»Was machst du, Hellmuth Wegener?« fragte Dr. Velbert gehässig freundlich. »Bist du irgendwo Chefarzt?! Wo ist Peter Hasslick geblieben?!«
»Hellmuth ist auf dem Flur einer Schule in Orscha krepiert, weil eine sowjetische Ärztin keine Zeit für ihn hatte«, sagte Wegener leise. Dr. Velbert verstand ihn kaum.
»Und da hast du seine Papiere genommen, und gestorben ist Hasslick!« sagte Velbert mit der Logik eines Anwalts. »Alles ganz schön. Aber warum? Was hattest du davon? Wolltest du Fähnrich sein? Als russischer Plenny?! So doof warst du nie!«
»Danke.« Es hat keinen Sinn, auszuweichen, dachte Wegener. Für ihn ist es ein Leichtes, herauszufinden, was Wegener macht. »Ich war schon Hellmuth, als er starb.«
»Ihr habt vorher getauscht?«
»Ja.«
»In Gottes Namen, warum?! Das hat doch keinen Sinn!«
»Ich habe jetzt eine Apotheke, einen pharmazeutischen Großhandel und drei pharmazeutische Fabriken.«
»Aha!« sagte Dr. Velbert, sah Wegener groß an und blickte dann geradeaus. »Das ist allerdings ein Superding! Gratuliere, Peter! Oder soll ich Hellmuth sagen?«
»Wenn du dich an Hellmuth gewöhnen kannst …«
»Aber sofort!
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