Eine glückliche Ehe
bleibst, ich schwöre es dir, hier in der Schublade liegt eine geladene Pistole. Mein Gott, o Madonna … ich wollte dich erschießen!«
»Das wäre vielleicht das beste!« sagte er tonlos.
»Und deine Euromedica- Werke ? Deine Frau, deine Kinder? Bin ich so viel wert?«
»Ja.«
»Hinaus!« Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die offene Tür. »Geh hinaus, du Idiot! Du wirst es überleben!«
Er stand auf, ging wie ein müder Greis durch den Raum und blieb in der offenen Tür vor ihr stehen. »Und du?«
»Ich auch! Es gibt Liebhaber genug!«
»Elietta!«
Sie gab ihm einen Stoß vor die Brust, er taumelte in die große Halle, sie warf die Tür zu und verriegelte sie von innen.
»Elietta!« schrie er und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. »Wenn du die Pistole nimmst …«
Sie antwortete nicht. Er wartete über eine halbe Stunde vor dem Zimmer wie ein Hund, und da er bis dahin noch keinen Schuß gehört hatte, ging er weg. Niemand verabschiedete ihn. Nur das Taxi stand draußen vor der Palaismauer, und der Chauffeur sagte: »O Signor, das gibt eine Rechnung. Ich warte hier schon zwei Stunden …«
»Fahren Sie!« schrie Wegener und warf sich in den Sitz. »Und wenn Sie mich mit hundertvierzig gegen einen Baum fahren und sich vorher retten können, schenke ich Ihnen eine Million Lire!«
Der Taxifahrer schielte zu ihm hin, lächelte schweigend und fuhr manierlich weiter. Ein Italiener kann verzweifelte Männer immer verstehen.
Am 29. September operierte Dr. Salieri eine herrliche Schußnarbe in Wegeners linken Oberarm und trimmte sie auf alt.
Die Operation hatte Salieri nach der allgemeinen Arbeitszeit, nach der abendlichen Visite, angesetzt. Nur eine junge Assistentin, eine Anästhesistin, war im OP. Ein schwarzgelocktes, langbeiniges Mädchen, das Wegener nach der Begrüßung verstohlen fragend beobachtete. Dr. Salieri saß vor Wegener auf einem weißlackierten Stuhl, als dieser sich den Oberkörper freimachte, wie die Ärzte es ausdrücken, und tippte Wegener auf den noch immer vorgewölbten Bauch.
»Sie hatten doch versprochen abzunehmen«, sagte er.
»Das habe ich auch! Fast dreißig Kilo! Dann sah ich mich im Spiegel und blickte in ein Greisengesicht. Ein Kopf, so klein wie eine Rübe. Der Schreck saß, lieber Kollege. Da habe ich wieder angefangen zu fressen. Mäßig, damit es langsamer aufwärtsgeht – aber immerhin! Ich bin anscheinend kein Typ, den klassische Bildhauer als Modell genommen hätten.«
»Ihr Fett macht mir Sorge! Wie reagieren Sie auf eine Narkose? Ihren Blutdruck messen wir gleich.«
»Zuletzt einhundertachtzig.«
»Na also! Und wenn er noch höher geht, jetzt, durch die Aufregung, laden Sie sich wie eine Bombe auf!«
»Ich bin nicht aufgeregt, Dr. Salieri.«
»Natürlich sind Sie das. Jeder, der in einem OP steht oder hereingerollt wird, ist aufgeregt. Man greift in Ihren Körper ein, und wenn's nur eine dämliche Narbe ist – aber es ist ein Eingriff! Und darauf reagiert jeder Mensch nervös. Lieber Kollege, ich habe Muskelprotze und Schönlinge erlebt, die sprangen auf den OP-Tisch, als läge kein Gummituch drauf, sondern eine nackte Frau, und sie legten sich hin, um ein Fältchen unter den Augen glattziehen zu lassen. Und dann kommt die erste Injektion, und was passiert? Verdrehte Augen, kalter Schweiß, fahle Blässe, ein saftiger Kreislaufkollaps. Da sollten Sie eine Ausnahme sein?«
»Ich habe anderes durchgestanden.« Wegener sah sich um. Die Assistentin rollte einen kleinen Instrumententisch an den OP-Tisch. Es lag nicht viel darauf: ein paar Tupfer, eine Venenstaubinde, zwei Skalpelle, blutstillende Watte, drei Ampullen mit wasserhellen Flüssigkeiten, drei Einwegspritzen, zwei kleine, dünnbackige Klemmen, eine gebogene Schere und Verbandmaterial. »Wollen Sie mir wegen des kleinen Ritzers eine Vollnarkose verpassen, Herr Kollege?« fragte Wegener.
»Das wollte ich Sie gerade fragen! So einen Schnitt mache ich Ihnen, nachdem ich Ihnen auf den Arm geboxt habe! Aber bei Kollegen bin ich vorsichtig geworden. Wer selbst ganze Mägen resektiert, zittert, wenn man ihm selbst einen Pickel ausdrückt. Ich dachte, ich mache Ihnen eine Lokalanästhesie, und wenn ich merke, daß Sie mit den Zähnen klappern, haue ich in die vollen. Einverstanden?«
»Sie haben in Deutschland ein verflucht gutes Deutsch gelernt.« Wegener grinste breit. Er wollte sich vor der schönen Assistentin keine Blöße geben, stand auf, ging zum OP-Tisch und zeigte auf ihn. »Kann ich
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