Eine glückliche Ehe
Fachzeitschriften und Illustrierten erschienen, was zur Folge hatte, daß Einbrecher sich näher mit der Villa beschäftigten. Aber es erwies sich, daß Fritzchen Lebers Alarmanlagen, unsichtbar überall eingebaut und mit raffinierten Kreuz- und Querschaltungen versehen, auch den raffiniertesten Einfällen professioneller Einbrecher gewachsen waren. Nach sieben vergeblichen Versuchen, an die Picassos und Buffets, Monets und Chagalls heranzukommen, gaben die Einsteiger auf. In ihren Kreisen galt das Haus von Hellmut Wegener fortan als uneinnehmbar.
Dr. Bernharts setzte sich in einen der tiefen Sessel und wartete, bis Wegener aus der in die Wandtäfelung eingebauten Hausbar eine Flasche Kognak und zwei Gläser geholt hatte.
»Es stimmt also, du gehst in die Politik?« fragte Bernharts, während Wegener eingoß.
»Nein.«
»Politik ist auch falsch ausgedrückt. Du willst beratend ins Gesundheitsministerium?«
»Auch nicht.«
»Aber Irmi erzählte mir doch …«
»Das Ministerium hat die Absicht, mich dafür zu gewinnen. Aber ich will nicht. Ich kann nicht!«
Wegener blieb stehen, während sie sich zuprosteten.
»Es wäre der Glanzpunkt deiner Karriere!«
»Glanzpunkt! Du redest, als sei ich ein alter Mann, den man vor dem Vertrocknen noch einmal begießt. Ich habe im Leben genug erreicht. Was will ich noch mehr? Das einzige, was ich mir nie habe gönnen können, war Ruhe! Und die werde ich jetzt suchen!«
»Du hast sie wirklich nötig, Hellmuth! Das sage ich dir seit Jahren nicht nur als Arzt, sondern auch als Freund.«
»Ich fühle mich gesund wie hundert Bullenschwänze. Als Arzt könntest du bei mir verhungern.«
»Das redest du dir ein! Wann haben wir das letzte EKG gemacht? Wann den letzten Zuckertest? Dein roter Kopf gefällt mir gar nicht.«
»Mein Kopf gefällt vielen Leuten nicht! Ewald, hör auf, mich medizinisch anzuöden! Ich weiß am besten, was ich mir zumuten kann.«
Weiß ich das wirklich? überlegte er, während er erneut Kognak in die großen Glasschwenker goß. In drei Tagen sitze ich in einem Zimmer des Amts für Verfassungsschutz, und dieser Oberregierungsrat, der mich so freundlich zu einer kleinen Aussprache eingeladen hat, wird fragen: Wer sind Sie wirklich? Wir wissen, daß Sie nicht Hellmuth Wegener sein können …
Ein Tag ist schon vorbei, einer der vier Tage, in denen ich Irmi die Wahrheit sagen wollte. Jetzt liegt sie mit hohem Fieber im Bett, und es ist unmöglich, mich neben sie auf die Bettkante zu setzen und zu ihr zu sagen: »Sieh mich an. Wen siehst du? Deinen Mann! Ja, ich bin dein Mann. Und du bist meine Frau. Seit einunddreißig Jahren! Wir waren doch immer glücklich miteinander, stimmt es? Wir haben gemeinsam ein herrliches Leben aufgebaut. Wir sind Hand in Hand durch Höhen und Tiefen marschiert, und wir haben es nie bereut, daß unsere Leben so untrennbar miteinander verschmolzen sind. Es hat nur alles einen großen Fehler: Ich bin nicht Hellmuth Wegener …«
Kann man ihr das so sagen? Unmöglich! Aber wie sagt man es? Soll sie es durch ein amtliches Schreiben erfahren oder durch einen Beamten der Staatsanwaltschaft? »Ihr Mann, gnädige Frau, Ihr angeblicher Mann heißt in Wahrheit Peter Hasslick. Sie sind seit 1944 bereits Witwe. Ihr Mann, das heißt der Peter Hasslick, ist in vollem Maße geständig …«
»An was denkst du?« fragte Dr. Bernharts. »Fällt dir jetzt selbst auf, daß du zwar ein Klotz von Kerl bist, aber innen sehr viel Hohlraum hast?«
»Danke!« Wegener trank seinen Kognak wie aus Protest mit einem Schluck aus. Dr. Bernharts nickte.
»Genau das meine ich! Die Sturheit eines Kolosses! Zwei Zentner Lebendgewicht, die abhängig sind von einer kleinen Blutpumpe hinter den Rippen. Abhängig von Nerven, die revoltieren, wann es ihnen paßt, und dich nicht fragen, ob sie dürfen. Das alles weißt du, aber du frißt weiter, du säufst weiter – nur huren kannst du nicht mehr so wie früher, weil dir der Atem ausgeht nach vier Sekunden!«
»Man merkt deine Freundschaft mit Dr. Schwangler!« sagte Wegener böse. »Ich habe dich wegen Irmis Bronchitis geholt. Nicht, um mir deine uralten Lieder anzuhören.«
»Irmi tut mir leid.«
»Natürlich. Weil du sie liebst …«
»Idiot!«
»Du liebst sie seit zwanzig Jahren. Vom ersten Tage an, an dem du zu uns kamst, nachdem der alte Dr. Hampel im Puff starb … Ich mag in vielem unvollkommen sein, aber blind bin ich nicht! Es gab eine Zeit, da hätte ich dich am liebsten aus dem Fenster geworfen.
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