Eine glückliche Ehe
komisch, daß sie laut lachte, das Badetuch fallen ließ und nackt und lachend durch das Schlafzimmer lief. Er stand auf und setzte sich auf die Bettkante, wischte sich die brennenden Augen und schabte die Fußsohlen gegeneinander.
»So hast du lange nicht mehr gelacht, Irmi«, sagte er, als sie endlich Luft holte. »So richtig gelacht! Ich habe es vermißt. Komm her zu mir …«
»Nein. Jetzt nicht.«
»Ich will dich nur fragen, ob du glücklich bist.«
»Ich bin glücklich.«
»Mit mir?«
»Nur mit dir!« Sie streckte die Hand aus, eine kommandierende Venus. »Los! Ins Badezimmer! Oder ins Schwimmbecken! Wässere dir den Alkohol weg! Hier stinkt es ja wie in einer Schnapsbrennerei!« Sie schlang das Badetuch wieder um sich, aber unterhalb ihrer Brüste. Wegener sah sie an und folgte ihr mit dem Blick bis in das neben dem Schlafraum liegende Ankleidezimmer. Sie ist glücklich mit mir, dachte er. Ist das möglich? Kann man mit mir glücklich sein?
Er stand auf, ging ins Badezimmer, betrachtete sich in dem großen Spiegel und wandte sich angeekelt ab.
Den ganzen Tag waren sie dann in Köln, bummelten durch die Stadt, Hand in Hand, wie in jungen Jahren, kauften ein, tranken Kaffee, aßen ein Stück Kuchen und freuten sich über Kleinigkeiten wie die Kinder.
»Das Leben ist schön!« sagte er glücklich.
»Aber nur mit dir!« antwortete sie.
Sie standen vor dem Dom, küßten sich, und keiner nahm Notiz von ihnen. In Köln denkt man schon ein wenig pariserisch.
Sechs Jahre ging es gut, ging es weiter aufwärts. Bis zu jenem Januartag 1975, an dem das Gesundheitsministerium in Bonn Hellmuth Wegener bat, als Berater an der nächsten Arzneimittelkonferenz teilzunehmen und seinen Beitrag zum neuen Arzneimittelgesetz zu leisten.
»Die hohe Politik ruft!« sagte Dr. Schwangler. »Was sie mit den Parteien nicht erreicht haben, gelingt ihnen jetzt über deine fachliche Kapazität! Hellmuth Wegener mischt politisch mit.«
Er merkte es sofort. Automatisch geriet er in das Blickfeld des Verfassungsschutzamtes, das seine politische Integrität überprüfte. Hellmuth Wegener wurde ein Aktenvorgang. Man interessierte sich diskret für sein Vorleben.
Und ebenso diskret bat ihn eines Tages ein Oberregierungsrat zu einer Aussprache ins Amt. Man habe einige kleine, unwichtige Fragen zu klären. Es eile nicht, den Termin solle er selbst bestimmen.
Das ist nun das Ende, dachte Wegener. Das ist unabwendbar das Ende. Ich zerstöre mich durch meine eigene Größe. Ich gehe zugrunde durch meinen Erfolg. Jetzt wird ein Leben ausgebreitet werden, das viele phantastisch nennen werden. Man kann viel über mich sagen, nur eines muß man mir zugestehen: Ich habe meine Pflicht getan! Ich bin ein Hellmuth Wegener geworden, wie es keinen besseren geben kann.
Er sah in seinen Terminkalender, umrahmte ein Datum mit Rotstift und schrieb darunter: Amt für Verfassungsschutz, 11 Uhr.
Dann machte er quer durch den Terminkalender einen dicken roten Strich.
Es gab keine Termine mehr.
Vier Tage hatte er sich Zeit gelassen. Vier Tage für das Abschiednehmen.
Morgen fange ich an, dachte er. Wie es sein muß: Irmi soll es endlich wissen. Was dann folgen würde, war eigentlich gleichgültig. Das Abrollen technischer Vorgänge.
Er klappte das Terminbuch zu, trat an das riesige Fenster und blickte über seine chemischen Werke. Er war ganz ruhig, und das wunderte ihn. Er hatte nie geglaubt, daß man sein Ende so gelassen hinnehmen könnte.
11
Krankheiten kommen immer zum unrichtigen Zeitpunkt – das ist ein volkstümlicher Satz –, aber für Hellmuth Wegener kam eine Krankheit wie ein Geschenk des Himmels: Irmi legte sich mit hohem Fieber ins Bett, und Dr. Bernharts diagnostizierte eine Bronchitis und einen grippalen Infekt. Er gab Irmi eine Injektion und sagte dann zu Wegener: »Alles andere hast du ja im Hause!«
Sie ließen Irmi, die nach der Spritze müde wurde und einschlief, allein im Schlafzimmer und gingen in die Bibliothek. Sie war, wie auch die ganze Villa Fedeltà, seit 1953 mehrmals umgebaut worden, bis Fritzchen Leber nichts mehr einfiel. Außerdem hatte Wegener gesagt: »Jetzt ist Schluß! Das war der letzte Umbau! Seit zweiundzwanzig Jahren wird hier die Mischmaschine nicht kalt. Ich will ein Haus haben, aber keinen Kölner Dom, an dem ewig herumgebaut wird!« Bislang war die Villa Fedeltà ein Musterbeispiel für das gewesen, was möglich ist, wenn ein Architekt sich austoben darf. Fotos des Hauses waren wiederholt in
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