Eine glückliche Ehe
Gesicht schimmerte wie Perlmutt.
Sie war so glücklich, so vollkommen junge Frau, daß er tief aufatmete und zögernd weiterging. Es ist ein Teufelskreis, dachte er. Ich komme nicht mehr heraus. Ich muß selbst vergessen können! Peter Hasslick ist tot, begraben in Orscha. Es lebt nur der Hellmuth Wegener.
Johann Lohmann war hinten in der Rezeptur, als sie das Geschäft betraten. Ein Kunde wartete, er hatte irgendeine Salbe verschrieben bekommen, die Lohmann jetzt zusammenmischte.
»Wir bleiben hier stehen, als wären wir Kunden«, flüsterte Irmi. »Paps wird Augen machen!«
Sie stellten sich etwas abseits, Lohmann kam zurück, händigte das Salbentöpfchen dem Kunden aus und wollte wieder in den hinteren Raum, als er Irmgard und Wegener bemerkte.
Er blieb stehen, drehte sich voll zu ihnen um und steckte, auf eine nicht unbedingt erfreuliche Überraschung gefaßt, die Hände in die Taschen seines weißen Apothekerkittels.
»Das ist er, Paps!« sagte Irmgard glücklich. Sie lehnte sich an Wegener und schlang den Arm um seine knochige Taille. »Du siehst, er ist doch gekommen! Stell dir vor, ich habe ihn gleich erkannt.«
Warum lügt sie, dachte Wegener. Sie hatte ein anderes Bild vier Jahre mit sich herumgetragen. Es muß in Friedland für sie ein Schock gewesen sein, als er so ganz anders aussah.
»Guten Tag, Herr Wegener«, sagte Lohmann unsicher. Er kam näher, die Hände in den Kitteltaschen.
»Er heißt Hellmuth, Paps.«
»Natürlich, Hellmuth. Ich muß mich erst daran gewöhnen, einen Sohn im Haus zu haben.«
Sie sahen sich an, und Wegener dachte: Es ist der gleiche verblüffte, abschätzende, etwas hilflose, in die Situation hineingezwungene Blick wie bei Irmi in Friedland. Er weiß nichts mit mir anzufangen, er hat eine andere Vorstellung von seinem Schwiegersohn, er hat sich mehr versprochen nach dem Bild, das damals, vor vier Jahren, auf dem Tisch des Standesbeamten stand und zu dem Irmgard ja gesagt hatte.
»Herr Lohmann«, setzte Wegener an und verstummte sofort. Hinter sich spürte er Irmi, ihre Brüste drückten sich in seinen Rücken. Sie atmete schneller als sonst, stoßweise, über seinen Nacken glitten die kleinen Atemstöße.
»Sag Johann zu mir.« Lohmann streckte die rechte Hand aus. »Vater, das klingt irgendwie zu kindlich für uns.« Über sein Gesicht zog ein Lächeln. »Das Schlimmste hast du hinter dir. Komm her, mein Junge …«
Sie fielen sich in die Arme, küßten sich rechts und links auf die Wange, und Irmi begann glücklich zu weinen.
»In einer halben Stunde mache ich die Apotheke zu«, sagte Lohmann. »Aber das hat nicht viel zu sagen. Gerade heute habe ich Nachtdienst. Da kannst du gleich sehen, wie's einem akademischen Verkäufer geht. Sie schellen dich um drei Uhr nachts aus dem Bett, weil sie nicht furzen können.«
»Paps!« unterbrach Irmi ihn und wurde sogar rot.
»Er ist vom Barras und aus Rußland andere Ausdrücke gewöhnt, was, Hellmuth?« Lohmann lachte bieder. »Aber es ist ja wahr. Siebzig Prozent der Nachtkunden könnten bis zum Morgen warten. Aber nein … sie kommen wie die Motten zum Licht. Neulich klingelt einer um zwei Uhr morgens und sagt zu mir: ›Herr Apotheker, was soll ich machen? Ich habe den Drang zu scheißen, aber es kommt nichts! Ich sitze seit zwei Stunden auf dem Lokus. Es ist, als wenn ein Pfropfen drin wäre!‹ Mir ist der Kragen geplatzt, das kann ich euch sagen. ›Mein Herr!‹ habe ich zu dem Kerl gesagt. ›Da hilft nur eins: Stecken Sie sich den Finger in den Arsch!‹ Weg war er. Und kommt am nächsten Morgen freudestrahlend wieder: ›Es hat geholfen! Danke, Herr Apotheker!‹«
Später standen sie allein in Irmis kleiner Wohnung, die sie sich im Hause, auf der zweiten Etage, eingerichtet hatte: ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, eine kleine Küche, Diele und Bad.
An den Fenstern Tüllgardinen mit eingewebtem Maiglöckchenmuster. Um einen runden Nußbaumtisch eine Sesselgruppe, mit Plüsch bezogen. An der Wand eine lange Anrichte mit geschnitzten Türen. Darüber ein Ölgemälde: Sonnenaufgang am Bodensee. Parkettböden, in der Mitte ein Teppich mit Persermuster. Eine fünfarmige Lampenkrone aus Messing und gelben Kunstseidenschirmchen mit weißen Troddeln. Neben der Sesselgruppe eine Stehlampe mit einem riesigen, bemalten Pergamentschirm. Ein Kohleofen mit einer Kachelummantelung strahlte blubbernde Wärme aus. Apotheker Lohmann verfügte sogar über Eierbriketts.
Wegener stand an der Tür des Zimmers und krallte die
Weitere Kostenlose Bücher