Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
von Nowo Nigaisk am Krankenbett und am OP-Tisch gesehen und gelernt hatte. Und die Stabsärzte hatten ihn ›Herr Kollege‹ genannt.
    »Ich mache nicht weiter«, sagte Wegener und vermied es, Lohmann anzusehen.
    »Aber warum denn? Natürlich machst du weiter! Du baust deinen Dr. med.. ich richte euch eine Praxis ein, und dann kannst du dir eine goldene Nase verdienen! Mit 2.000 Krankenscheinen, und die kriegst du mühelos zusammen, scheint bei dir immer die Sonne im Portemonnaie! Dazu die Privatpatienten. Junge, ich kann mir denken, daß du Bammel hast, nach so langer Zeit wieder anzufangen und zu lernen. Aber dazu gibt's gar keinen Grund! Man kommt schnell wieder in den Stoff hinein, du wirst es sehen. Der menschliche Geist ist flexibler, als man glaubt. Du erholst dich ein paar Monate, frißt dir etwas Fleisch auf die Rippen, und im Sommersemester 1948 sitzt du wieder im Hörsaal.«
    »Ich glaube nicht, Johann.« Wegener schüttelte den Kopf. Durch die offene Tür, über den Flur hinweg, hörte er Irmi in der Küche mit dem Geschirr klappern. »Ich habe mich nie dazu gedrängt, Mediziner zu werden.«
    »Ich denke, du bist mit Leib und Seele …«
    »Ich habe Medizin damals nur belegt, weil ein Onkel das so wollte. Ein Onkel, den ich einmal beerben sollte.«
    »Und jetzt ist alles in Klump geschmissen, und die Medizin wird an den Nagel gehängt, was?«
    »So ähnlich.«
    »Ich glaube, du machst da etwas falsch, Junge.« Lohmann legte seinen Zigarillo in den tönernen Aschenbecher. Man sah ihm an, daß ihn die Zukunft sehr beschäftigte. Die Zukunft seiner einzigen Tochter, die bis zur nie geglaubten Rückkehr ihres Mannes sehr ungewiß gewesen war. »Wenn nicht Medizin, was dann? Willst du auf Pharmakologie umschwenken? Das wäre natürlich ideal! Du wirst einmal die Apotheke übernehmen …«
    »Vater!« Plötzlich sagte Wegener zu Lohmann ›Vater‹, als habe er das Verlangen, Schutz suchen zu müssen. Lohmann sah ihn groß an, aber die Anrede behagte ihm sichtlich. »Ich muß dir etwas erklären …«, fuhr Wegener fort – und stockte.
    Er lehnte sich zurück, aus dem Licht der Stehlampe hinaus, flüchtete sich in den Halbschatten, wünschte sich, daß es jetzt ganz finster werden, die Glühbirne platzen würde oder eine Sicherung ausfiele. Wie fange ich an, dachte er. Mit der Hochzeit im Bataillonsbunker, wo ich Trauzeuge war? Mit Hellmuths Verwundung am Ufer des Dnjepr? Mit seinem Tod auf dem Schulflur in Orscha? Wie man auch anfängt, – es wird immer so etwas wie Selbstmord sein.
    In diesem Augenblick der Wahrheit kam Irmgard aus der Küche zurück. Sie setzte sich neben Wegener auf die Sessellehne, schlang den Arm um seinen Nacken und küßte ihn auf die Stirn. Da war kein Gedanke mehr an Selbstentblößung, sein Vorsatz zerplatzte wie ein Ballon.
    Er ließ den Kopf sinken, legte sein Gesicht auf ihre Handfläche und war froh, daß sie gerade in diesem Moment gekommen war. Ich liebe sie, dachte er. Ich wäre der einsamste Mensch auf der Welt, wenn ich jetzt von ihr gehen müßte.
    »Was habt ihr für Probleme?« fragte sie fröhlich. »Ihr seht, so ernst aus.«
    »Hellmuth will nicht weiter Medizin studieren«, sagte Lohmann. »Und er wollte gerade etwas erklären.«
    »Er ist gerade einen Tag zu Hause, und schon belastest du ihn mit solchen Problemen.«
    »Man muß darüber sprechen«, sagte Wegener.
    »Aber nicht heute. Wir haben noch Wein, Paps, nicht wahr?«
    »Hol ihn, Spätzchen!«
    Sie küßte ihn noch einmal und lief wieder hinaus. Lohmann strich sich mit beiden Händen über das graubraune Haar. »Merkwürdig«, sagte er. »Merkwürdig für einen Vater. Ich habe noch nie erlebt, daß Irmi zu einem anderen Mann zärtlich ist. Und jetzt sitze ich hier und sehe zu, wie sie dich küßt. Ein dämliches Gefühl, wenn man es zum erstenmal sieht. Man verliert ein Stück seines Lebens.«
    »Wir bleiben doch bei dir, Vater«, sagte Wegener.
    »Was wolltest du vorhin sagen, Hellmuth?«
    »Es ist vielleicht besser, wenn ich ins Kaufmännische gehe. Ich weiß nicht, ob ich jemals ein guter Arzt würde. Ich habe es an der Front gemerkt und später in Nowo Nigaisk. Ich habe mit meinen Verwundeten und Kranken gelitten, als sei ich selber krank. Und wenn einer starb, saß ich an seinem Bett und hätte heulen können. Ob das die richtige Basis ist? Ein Arzt muß Mensch sein, natürlich, aber auch so hart, daß er sich nicht aus Mitleid zu seinen Patienten ins Bett legt. Mir fehlt diese Härte, das

Weitere Kostenlose Bücher