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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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anderen über ihren Arm legen und ihre Brüste umfassen … es war für sie die schönste Art, gemeinsam zu schlafen, warm, mit dem Gefühl absoluter Geborgenheit, traumlos in vollkommenem Glück, eine verschmolzene Einheit.
    »Noch einen Monat – dann ist das Kind da. Hast du Angst, Hellmuth?«
    »Ich werd' verrückt, wenn ich daran denke … Die Schmerzen, die man dabei haben soll …«
    »Millionen Frauen haben das durchgemacht.«
    »Ich glaube, ich besaufe mich an diesem Tag. Zum erstenmal in meinem Leben besaufe ich mich richtig.«
    »Zum erstenmal?«
    »Zum erstenmal, weil ich es unbedingt will. Früher, als … als Student …« Es kam ihm schwer und merkwürdig über die Lippen. Er wußte, daß man als Student viel trank, vor allem aber hatten es ihm die erzählt, die Studenten gewesen waren, sie hatten geprahlt mit ihren Abenden im Verbindungshaus (so nannten sie es, glaubte er sich zu erinnern), und Saufen nannten sie ›eine Kneipe‹. Sie hatten sich auch heimlich getroffen und mit Säbeln ins Gesicht geschlagen, und auch dafür hatten sie bestimmte Namen. Er dachte angestrengt nach, bis es ihm wieder einfiel. ›Pauken‹ nannten sie das, und wo sie sich trafen, war der Paukboden, und es gab einen Paukarzt, das ganze hieß Mensur und war unter den Nazis verboten. Die Narben im Gesicht bezeichneten sie als ›Schmisse‹, darauf waren sie besonders stolz, sie waren so etwas wie ein ewiger Ausweis, ein Erkennungszeichen der Akademiker, ein ins Gesicht geschlagener Markenartikel, der oftmals Türen, die für andere verschlossen waren, öffnete wie mit einem Zauberschlüssel.
    »Woran denkst du?« fragte sie. »Was war als Student?«
    »Tja, natürlich habe ich da auch gesoffen!« sagte er leichthin. »In der Kneipe, nach dem Pauken, wenn die Mensur vorbei war.« Er nahm an, daß es so richtig war, und da sie nicht weiterfragte und ihn auch nicht erstaunt ansah, mußten es die passenden Worte sein. »Aber das war etwas anderes, Liebling. Du verstehst.«
    »Ich verstehe«, sagte sie und küßte ihn. »Aber komm nicht betrunken ins Krankenhaus, damit dein Kind keinen falschen Eindruck von dir kriegt …« Sie lachte, und dann hatte sie sich wieder ganz eng an ihn geschmiegt und an seinem Hals geflüstert: »Ich habe ja auch Angst, aber ich freue mich ganz verrückt darauf!«
    In dieser Nacht, kurz nach ein Uhr, zuckte Irmgard plötzlich hoch. Sie konnte nur den Kopf heben, denn Hellmuths Hände umklammerten ihre Brüste. Er murmelte im Halbschlaf: »Tritt es wieder?! Von wem hat das Kind bloß das Temperament?«
    »Da war ein Schuß, Hellmuth«, sagte sie leise und hielt den Atem an.
    »Blödsinn! Ein Schuß?«
    Er wollte schon sagen: »Vielleicht war's ein Furz!« – aber das schluckte er gerade noch hinunter. Verdammt, dachte er, wach geworden, du bist nicht mehr beim Kommiß, und auch nicht mehr der Schlosser Hasslick, sondern der Medizinstudent und Apothekererbe Hellmuth Wegener.
    Er ließ Irmis Brüste los, und dann saßen sie beide im Bett und lauschten in die Dunkelheit. Irgendwo schepperte etwas, es klang wie Metall, aber nicht wie ein Schuß.
    »Da!« sagte Irmi und umklammerte Hellmuths Hand.
    »Liebling, da klappert was! Auf der Baustelle, im Wind, das kennst du doch! Komm, schlaf weiter!«
    »Vorhin war's aber ein Schuß! Von irgendeinem Klappern wache ich nicht auf.«
    »Der Krieg ist vorbei! Es wird nicht mehr geschossen!« sagte Hellmuth. Aber er stand doch auf, tappte auf nackten Füßen zum Fenster und schob die Gardine zurück. Das Schlafzimmer war nach dem Hof zu gelegen, man sah auf den Rohbau der Fabrikhalle. Früher war das der ruhigste Raum gewesen, jetzt zitterte er über Tag unter dem Baulärm. Wahrscheinlich würde es auch noch laut sein, wenn die Fabrik arbeitete und die neuen Präparate so gut einschlugen, daß man Nachtschichten einführen mußte. Dann würde man das Schlafzimmer eben verlegen. Vielleicht baute man sich sogar ein kleines Haus; es gab da ein schönes Wiesengrundstück ganz in der Nähe, man brauchte nur drei Minuten bis zur Apotheke, das wäre besonders günstig bei Nacht- und Notdienst, dann hatte es keiner mehr nötig, auf der harten Couch hinter der Rezeptur zu schlafen.
    Der Rohbau lag im trüben Nachtlicht, das der Oktoberhimmel aussandte. Steinhaufen, Sandberge, abgedeckte Zementsäcke, eine Mischmaschine, ein Karrenaufzug, Einschalholz, Balken, Röhren, die Biegebank der Installateure, eine große Werkbank mit Schraubstöcken … eben eine Baustelle. Der

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