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Eine glückliche Ehe

Eine glückliche Ehe

Titel: Eine glückliche Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wind klapperte tatsächlich mit einigen losen Teilchen am Neubau, und Wegener wollte schon beruhigend sagen: »Der Wind, der Wind, das himmlische Kind …« – als er plötzlich zwischen den Zementsäcken und den Steinen einen Schatten sah: ganz kurz nur huschte er vorbei, etwas noch Dunkleres im Dunkel, und er kam aus der Fabrikhalle.
    »O Scheiße!« dachte er. Er sprach es nicht aus, er ließ die Gardine zurückfallen und dachte an Irmi, die seinen Rücken anstarrte. Sie darf nicht erschrecken, sie darf sich nicht aufregen, bloß das nicht! Das Kind ist jetzt das Wichtigste in unserem Leben! Und wenn da unten einer ist, der von der Baustelle ein paar Röhren oder Steine klaut, dann ist das eine Sauerei, aber Irmi sollte es nicht wissen. Aber wieso hat sie einen Schuß gehört? Wer schießt im Neubau, wenn er klaut? Und vor allem: Auf wen schießt er?!
    »Ist was los?« fragte Irmi. Sie saß noch immer im Bett, nackt, mit ihrem vollen, herrlichen Busen. Ihr blondes Haar klebte verschwitzt an ihrer Stirn, ihr rundes Kindergesicht zeigte die Angst eines kleinen Mädchens, das fürchtet, man werde seiner Puppe den Kopf abreißen.
    »Gar nichts!« antwortete er. O ja, lügen hatte er gelernt, hatte er geübt, er war ja im Dauertraining. »Aber wenn es dich beruhigt, gehe ich runter und sehe nach.«
    Er griff nach seiner Hose, die über einem Stuhl vor dem Bett hing. Dann zog er auch die Jacke an, über die nackte Brust. Der Kerl ist längst weg, dachte er. Habe ihn ja gesehen. Ich gehe nur, damit Irmi Ruhe hat und sieht, daß ich kein Feigling bin.
    »Ich komme mit!« sagte sie plötzlich und schwang die Beine aus dem Bett.
    »Du bleibst hier! Ich bin in fünf Minuten zurück.«
    »Hellmuth, ich …«
    »Leg dich hin, bitte! Deck dich zu. Denk an das Kind!«
    Das war immer das stärkste Argument. Wer es auch zu wem sagte, es wurde akzeptiert. Nichts war wichtiger als das Kind.
    »Ich kann mich verhört haben«, sagte sie. Es klang ein wenig kläglich. Es tat ihr leid, daß sie Hellmuth geweckt hatte. Ich hätte schweigen sollen, dachte sie, auch wenn es ein Schuß gewesen war. Jetzt kam die Angst doppelt auf sie zu. »Vielleicht war es gar kein Schuß! Ich habe geträumt …«
    »Das glaube ich auch, Liebling.« Er zog seine Schuhe an, ohne die Schnürsenkel zu binden. »Und ich werde es dir sogar beweisen.«
    »Ich träume immer noch vom Krieg!« Sie saß auf der Bettkante, nackt und unförmig, durch ihn, durch seine Liebe unförmig geworden. »Ich höre noch immer Schüsse, Granaten oder Bomben. Und das Zischen der Brandbomben und das Geheul der Sirenen und die Motoren der Bombenflugzeuge, das Prasseln der Flammen aus den brennenden Häusern, die Explosionen …«
    »So schnell kann man das nicht vergessen, das stimmt!« sagte er. »Auch nicht nach drei Jahren. Vielleicht nicht einmal nach dreißig Jahren. Vielleicht nie! Unsere Generation wird das immer im Ohr haben! Aber unser Kind soll das nie, nie hören! Leg dich nur hin, Liebling, und deck dich zu. Da klappert irgendwo ein dämliches lockeres Brett. Ich komme gleich wieder …«
    Sie legte sich gehorsam zurück ins Bett, zog das Plumeau über sich (bei den Lohmanns sagte man, seit Napoleon das Rheinland besetzt hatte, nicht Federbett, sondern Plumeau) und faltete die Hände über ihren Brüsten. »Geh nicht«, sagte sie plötzlich, »Komm zu mir, Hellmuth. Ich habe wirklich nur geträumt …«
    »In fünf Minuten!«
    Ich will sehen, was er geklaut hat, dachte Hellmuth Wegener. Und warum hat der Kerl geschossen? Ein Dieb ballert doch nicht durch die Gegend, das wäre ja total irrsinnig!
    Er ging zum Bett, küßte Irmi auf den Mund – sie hatte eiskalte Lippen, was ihn bewog, das Federbett bis zu ihrem Kinn zu ziehen – und verließ das Schlafzimmer. Er machte kein Licht im Haus, tappte die Treppe hinunter, ging zuerst in die Apotheke und holte aus der Rezeptur, aus der Schublade, in der die Rezepte für die anmeldepflichtigen Narkotika verschlossen waren, eine gut geölte 08-Pistole heraus, die er auf dem Schwarzen Markt gegen tausend Tabletten Aspirin eingetauscht hatte … es war am 10. Mai 1948 gewesen, als eine Stange amerikanischer Zigaretten mehr wert war als ein Klavier. Damals hatte er die 08 zusammen mit drei Magazinen und dreihundert Schuß Munition nur deshalb eingetauscht, weil der Anbieter ein so verhungerter Typ war, der ihm erklärte, mit dem Aspirin, das er wiederum einem Süchtigen geben würde (damals konnte man auch mit Aspirin süchtig

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