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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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gefühlt. Ich glaube, es war die Verlockung, begehrt zu werden, wissen Sie?«
    Das kannte ich; mich überraschte aber, dass Miranda es kannte und dass sie es in Form von jemandem wie Stuart Latham kennen gelernt hatte.
    »Egal«, sagte sie, »ich wollte nie irgendwelche Probleme in ihrer Ehe machen, und ich habe aufgehört, mit ihm zu flirten, als ich erkannte, dass es Probleme gab.«
    »Und wie hat der Anruf geendet?«
    »Abrupt«, sagte ich. »Ich habe ihm gesagt, er soll mich nie wieder anrufen, und dann habe ich aufgelegt.«
    »Glauben Sie, er hat die Blumen als Entschuldigung geschickt?«
    »Haben Sie die Karte gelesen?«
    »Ja«, gab ich zu.
    »Hat das ausgesehen wie eine Entschuldigung?«
    »Wenn es eine Entschuldigung war«, sagte ich, »dann eine ziemlich gruselige.«
    »Ja, ziemlich«, meinte sie, »so wie der Papst ziemlich katholisch ist.«
    »Geht es Ihnen gut?«
    »Es geht schon wieder«, sagte sie, »sobald ich Gelegenheit habe, eine lange, heiße Dusche zu nehmen und den Schmutz abzuwaschen.«
    »Sagen Sie mir Bescheid, falls er noch einmal Kontakt zu Ihnen aufnimmt«, sagte ich. »Dann rufen wir die Campuspolizei oder gleich die Polizei von Knoxville. Das Letzte, was er im Augenblick braucht, ist, bei der Polizei noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen.«
    Sie dankte mir und legte auf. Im Lichte dessen, was sie mir da erzählt hatte, war es durchaus möglich, dass Stuart Latham die Blumen geschickt hatte, und das war beunruhigend. Mir kamen noch zwei weitere Möglichkeiten – und damit zwei weitere Verdächtige – in den Sinn, beide genauso beunruhigend.
    Eine Möglichkeit war Edelberto Garcia, bei dem ich immer noch befürchtete, er könnte mehr in Miranda sehen als eine Kollegin oder gelegentliche Babysitterin. Garcias kühle Gewandtheit hatte etwas an sich, dem ich nicht ganz traute, obwohl mir klar war, dass mein Verdacht womöglich eher auf Eifersucht gründete als auf Logik.
    Die andere Möglichkeit war Garland Hamilton, und bei dem Gedanken, Hamilton könnte Miranda die Blumen geschickt haben, fror es mich bis ins Mark. Vor einigen Monaten war Jess in Hamiltons Blickfeld geraten, und Jess war jetzt tot. Als ich über diese Möglichkeit nachdachte, konnte ich nur noch beten, dass die Blumen von Stuart Latham kamen.
    Am späten Vormittag, ich war gerade in die Seiten der neuesten Ausgabe des Journal of Forensic Sciences vertieft, worin von einem Kollegen berichtet wurde, der soeben die Altersbestimmung anhand des Studiums von Schädelknochennähten verfeinerte –, drang ganz langsam ein leises, beharrliches Klopfen in mein Bewusstsein, und eine Stimme sagte: »Doc, dürfte ich mal reinkommen?« Ich riss mich in die Gegenwart zurück.
    »Tut mir leid. Sicher, kommen Sie herein.« Ich blickte auf und ordnete im selben Moment die Stimme ein. Steve Morgan trat ein, und sein Anblick entlockte mir trotz der Belastung der vergangenen zwei Tage ein Lächeln. Steve war Kriminalbeamter und hatte vor Jahren bei mir studiert. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er an einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von FBI und Kriminalpolizei zu Ermittlungen über Korruption in den Dienststellen des Sheriffs von Cooke County teilgenommen.
    »Ich hoffe, Sie sind hier, um mir mitzuteilen, dass Sie Garland Hamilton erwischt haben«, meinte ich.
    Er zuckte zusammen und schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so, aber ich komme nicht deswegen«, erwiderte er. »Ich glaube, Sie werden es trotzdem interessant finden. Wir beobachten seine Konten und schauen uns seine Kreditkartenaktivitäten an.«
    »Und?«
    »Wir haben einen Lagerraum gefunden, den er vor sechs Monaten gemietet hat, und darin war etwas, was Ihnen gehört.« Er trat in den Flur und kam mit einem Pappkarton in den Armen wieder. Die Schachtel war neunzig Zentimeter lang, dreißig Zentimeter hoch und dreißig Zentimeter breit. Ich kannte die exakten Maße, weil ich jahrelang Skelette in solchen Schachteln verpackt hatte. Ich hatte auch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wer in diesem speziellen Karton war: Ich hätte ein Jahresgehalt darauf verwettet, dass die Schachtel das postkraniale Skelett – also vom Hals abwärts – von Leena Bonds enthielt, einer jungen Frau, die vor dreißig Jahren in Cooke County ermordet worden war. Ich hatte die Leiche der Frau aus einer Höhle in den Bergen geborgen, wo die Kombination aus kühler Luft und extrem hoher Luftfeuchtigkeit ihr weiches Körpergewebe in Adipocire verwandelt hatte, eine seifenähnliche Substanz, die

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