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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Plötzlich begann sein hageres Gesicht in freudiger Erwartung zu glühen. »Aber, bei Gott, wir werden es schaffen!«
     
Was die Toten sagen
    (WHAT THE DEAD MEN SAY)
     
    Der Leichnam von Louis Sarapis, eingeschweißt in einer durchsichtigen, bruchsicheren Plastikkapsel, war bereits seit einer Woche ausgestellt und hatte sehr viel Echo in der Öffentlichkeit gefunden. Endlose Menschenschlangen schoben sich mit dem üblichen Geschluchze an ihm vorbei, bedrückte Gesichter, bekümmerte ältliche Frauen in schwarzer Trauerkleidung.
    In einer Ecke des großen Auditoriums, in dem der Sarg aufgebahrt war, wartete Johnny Barefoot ungeduldig auf seine Chance, bis zu Sarapis’ Leichnam vordringen zu können. Aber er hatte nicht vor, ihn sich lediglich anzuschauen; seine Aufgabe, in Sarapis’ Testament ausführlich beschrieben, war von gänzlich anderer Art. Als Sarapis’ PR-Manager oblag es ihm – ganz einfach –, Louis Sarapis wieder zum Leben zu erwecken.
    »Mist«, brummte Barefoot, sah auf seine Armbanduhr und stellte fest, daß es noch zwei Stunden dauern würde, bis sich die Türen des Auditoriums schlossen. Er war hungrig. Und die Kälte, die von der Frostpackung des Sarges ausging, ließ ihn sich von Minute zu Minute unbehaglicher fühlen.
    Dann erschien seine Frau Sarah Belle mit einer Thermoskanne voll heißem Kaffee. »Hier, Johnny.« Sie streckte die Hand aus und strich ihm das schwarze, glänzende Chiricahua-Haar aus der Stirn. »Du siehst schlecht aus.«
    »Ja«, nickte er. »Das hier ist zuviel für mich. Ich mochte ihn schon nicht, als er noch am Leben war – und so gefällt er mir auch nicht besser.« Er sah hinüber zu dem Sarg und der Zweierreihe der Trauernden.
    »Nil nisi bonum«, sagte Sarah Belle leise.
    Er sah sie an und war nicht sicher, was sie damit meinte. Zweifellos eine fremde Sprache. Sarah Belle hatte die Universität besucht.
    »Um Thumper Rabbit zu zitieren«, fuhr Sarah Belle fort und lächelte freundlich, »wenn du nichts Gutes sagen kannst, dann sage überhaupt nichts.« Sie fügte hinzu: »Das ist aus Bambi, einem alten Filmklassiker. Hättest du zusammen mit mir die Vorlesungen an jedem Montagabend im Museum für Moderne Kunst besucht ...«
    »Hör zu«, bat Johnny Barefoot verzweifelt, »ich möchte diesen alten Bastard nicht wieder zum Leben erwecken, Sarah Belle; wie habe ich mich nur dazu bereiterklären können? Ich war überzeugt, mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun zu haben, als ihn die Embolie umwarf.« Aber es war anders gekommen.
    »Dreh ihm den Hahn zu«, riet Sarah Belle.
    »W-was?«
    Sie lachte. »Bist du dafür zu feige? Schalte die Stromversorgung der Frostpackung aus, und er wird auftauen. Dann ist’s vorbei mit der Wiederauferstehung, stimmt’s?« Amüsiert funkelten ihre blaugrauen Augen. »Ich glaube, du fürchtest dich vor ihm. Armer Johnny.« Sie berührte seinen Arm. »Ich sollte mich von dir trennen, aber ich werde es nicht tun; du brauchst eine Mama, die sich um dich kümmert.«
    »Es ist falsch«, erklärte er. »Louis ist vollkommen hilflos, eingefroren in diesem Sarg. Es wäre – unmännlich, so zu handeln.«
    Ernst sagte Sarah Belle: »Aber eines Tages, früher oder später, wirst du dich ihm entgegenstellen müssen, Johnny. Und wenn er zum Halbleben erwacht ist, wirst du im Vorteil sein. Vielleicht klappt es dann; vielleicht bringst du es unversehrt hinter dich.« Sie wandte sich ab und ging davon, wegen der Kälte die Hände tief in den Taschen vergraben.
    Düster setzte Johnny eine Zigarette in Brand und lehnte sich an die Wand. Natürlich hatte seine Frau recht. Ein Halblebender war für einen lebenden Menschen bei einer direkten körperlichen Konfrontation keine Gefahr. Und dennoch – er schrak davor zurück, denn seit seiner Kindheit hatte er Ehrfurcht vor Louis verspürt, der die 3-4-Linie, die kommerzielle Schiffsverbindung zwischen Erde und Mars, beherrscht hatte, als wäre er ein Modellraketen-Fan, der in seinem Keller Spielzeugschiffe über ein Pappmachébrett schob. Und jetzt, bei seinem Tod, in seinem siebzigsten Lebensjahr, kontrollierte der alte Mann durch die Wilhelmina Securities mehr als hundert abhängige – und unabhängige – Firmen auf beiden Planeten. Der Wert seines Besitzes konnte nicht ermittelt werden, selbst nicht durch die Steuerbehörden; tatsächlich war es sogar den Steuerexperten der Regierung nicht ratsam erschienen, dies zu versuchen.
    Es ist wegen meiner Kinder, dachte Johnny; ich muß an sie denken, an

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