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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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ein und hören Sie zu.«
    Johnny erhob sich. »Das ist nicht nötig; ich habe bereits meine Entscheidung getroffen. Ich bin in meinem Hotel, falls Sie Ihre Meinung ändern sollten.« Er entfernte sich vom Tisch und ließ sie allein. Würde sie ihm nachrufen? Er horchte, während er ging. Sie rief nicht.
    Einen Moment später hatte er das Restaurant verlassen und stand auf dem Bürgersteig. Sie hatte seinen Bluff erkannt, und so hatte er aufgehört, ein Bluff zu sein und war Wirklichkeit geworden. Er hatte wirklich gekündigt.
    Benommen wanderte er ziellos dahin. Und dennoch – er hatte recht gehabt. Er wußte das. Es war nur ... verdammt sei sie, dachte er. Warum lenkte sie nicht ein? Wegen Louis, erkannte er. Ohne den alten Mann hätte sie weitergemacht und ihre Aktienmehrheit gegen Ganymed eingetauscht. Verdammt sei Louis Sarapis und nicht sie, sagte er sich wütend.
    Was jetzt? fragte er sich. Sollte er nach New York zurückkehren? Sich nach einer neuen Stellung umsehen? Zum Beispiel für Alfonse Gam arbeiten? Wenn er es schaffte, konnte er viel Geld verdienen. Oder sollte er hier in Michigan bleiben und darauf hoffen, daß Kathy ihre Meinung änderte?
    Sie kann nicht dabei bleiben. Gleichgültig, was Sarapis ihr einredet. Oder eher, was sie glaubt, daß er es ihr einredet. Es bleibt sich gleich. Er winkte ein Taxi herbei, nannte dem Fahrer die Adresse seines Hotels. Nach kurzer Zeit betrat er die Halle des Antler Hotels und war wieder da, wo er früh am Morgen aufgebrochen war. Wieder in dem schrecklichen leeren Zimmer, um dazusitzen und zu warten. In der Hoffnung, daß Kathy sich besinnen und ihn anrufen würde. Diesmal hatte er keine Verabredung.
    Als er sein Hotelzimmer erreichte, hörte er das Telefon klingeln.
     
    Einen Moment lang stand Johnny vor der Tür, hielt den Schlüssel in der Hand und horchte auf das Klingeln auf der anderen Seite der Tür, auf das schrille Geräusch, das bis auf den Korridor zu vernehmen war. Ist das Kathy? fragte er sich. Oder ist es er?
    Er schob den Schlüssel in das Schloß, drehte ihn und betrat das Zimmer; er nahm den Hörer von der Gabel und meldete sich: »Hallo.«
    Knisternd und weit entfernt murmelte die Stimme ihren eintönigen Monolog, ihre Rezitation, die nur ihr selbst galt. »... gar nicht gut, Barefoot, daß Sie sie verlassen haben. Verrat an Ihrer Arbeit; ich dachte, Sie würden Ihre Verantwortung begreifen. Sich ihr gegenüber genauso loyal verhalten wie bei mir, und Sie wären nie trotzig davongelaufen und hätten bei mir gekündigt. Ich habe meinen Leichnam in Ihre Obhut gegeben, damit Sie bleiben. Sie können nicht ...«
    Johnny legte auf.
    Sofort klingelte das Telefon wieder.
    Dieses Mal griff er nicht nach dem Hörer. Zur Hölle mit dir, dachte er. Er trat ans Fenster und blickte hinunter auf die Straße und dachte über ein Gespräch nach, das er vor Jahren mit dem alten Louis geführt hatte, jenes Gespräch, von dem er so tief beeindruckt gewesen war. Das Gespräch, bei dem sich herausgestellt hatte, daß er nicht zur Universität gegangen war, weil er sterben wollte. Er blickte hinunter auf die Straße und sagte sich: Vielleicht sollte ich springen. Zumindest würde es dann keine Telefongespräche geben ... keine Unterhaltungen mehr mit ihm.
    Das schlimmste, dachte er, ist seine Senilität. Seine Gedanken sind nicht klar, nicht deutlich; sie sind traumähnlich, irrational. Der alte Mann lebt nicht wirklich. Er ist nicht einmal ein Halblebender. Sein Bewußtsein verblaßt und stirbt allmählich ab. Und wir sind gezwungen, ihm zuzuhören, während er Stück für Stück dahinsiecht bis zu seinem endgültigen, vollkommenen Tod.
    Aber selbst in diesem degenerierten Zustand besaß er noch Wünsche. Er wollte etwas, und dies mit aller Macht. Er wollte, daß Johnny etwas tat; er wollte, daß Kathy etwas tat; die Überreste von Louis Sarapis waren vital und aktiv und raffiniert genug, um eine Möglichkeit zu finden, ihn zu überreden und das zu bekommen, was er wollte. Eine Travestie der Wünsche, die Louis zu Lebzeiten gehabt hatte, und dennoch konnte man ihn nicht ignorieren; man konnte ihm nicht entkommen.
    Das Telefon klingelte weiter.
    Vielleicht ist das nicht Louis, dachte er dann. Vielleicht ist das Kathy. Er hob den Hörer. Und legte ihn sofort wieder auf. Erneut das Knistern, die Fragmente von Louis Sarapis’ Persönlichkeit ... er schauderte. Und ist es nur hier so, ist es selektiv?
    Er hatte das schreckliche Gefühl, daß es nicht selektiv war.
    Er

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