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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Sie so weitermachen. Vergöttern Sie ruhig die Vergangenheit, wenn Sie das müssen. Aber denken Sie daran – sie ist begraben und vergessen. Die Zeiten ändern sich. Die Gesellschaft entwickelt sich.“ Er deutete ungeduldig auf die Ausstellungsstücke, die das ganze Stockwerk erfüllten. „Das sind nur unvollständige Kopien.“
    „Sie zweifeln an meiner Arbeit?“ Miller war wütend. „Diese Ausstellung ist absolut authentisch! Die neuesten Erkenntnisse sind von mir berücksichtigt worden. Es gibt nichts, was ich nicht über das zwanzigste Jahrhundert weiß.“
    Fleming schüttelte den Kopf. „Es hat keinen Zweck.“ Er wandte sich ab und näherte sich mit schlurfenden Schritten der nach unten führenden Rampe.
    Miller rückte seinen Kragen und die farbenfrohe, handbemalte Krawatte zurecht. Dann strich er den blauen Nadelstreifenanzug glatt, stopfte die Pfeife mit dem zweihundert Jahre alten Tabak, setzte sie in Brand und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Bänder.
    Warum ließ ihn Fleming nicht in Ruhe? Fleming, der offizielle Vertreter der großen Behörde, die den gesamten Planeten in ein erstickendes graues Netz eingesponnen hatte. Jeder Industriebetrieb, jeder Berufszweig, jede Familie war davon erfaßt. Ah, die Freiheit des zwanzigsten Jahrhunderts! Er verlangsamte die Geschwindigkeit des Bandlesers, und ein träumerischer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Das aufregende Jahrhundert der Männlichkeit und des Individualismus, als die Menschen noch Menschen waren …
    Genau in diesem Augenblick, während er vertieft war in die Schönheit seiner Forschungsobjekte, hörte er die unerklärlichen Laute. Sie drangen aus der Mitte der ausgestellten Artefakte.
    Jemand befand sich in seiner Ausstellung.
    Er konnte sie dort hinten hören, dort im Hintergrund. Jemand oder etwas hatte die Sicherheitssperren überwunden, die das Publikum fernhalten sollte. Miller schaltete das Lesegerät aus und erhob sich langsam. Er zitterte am ganzen Körper, als er sich vorsichtig der Ausstellung näherte. Er desaktivierte die Sperren und kletterte über das Geländer auf den Betonboden. Einige neugierige Besucher blinzelten verwirrt, als der kleine, seltsam gekleidete Mann zwischen den authentischen Kopien herumzukriechen begann, die für die Ausstellung zusammengetragen worden waren, und zwischen ihnen verschwand.
    Schwer atmend schritt Miller über das Pflaster und bog in einen sorgfältig angelegten Kiesweg ein. Vielleicht war es einer von den anderen Theoretikern, ein Spitzel des Ministeriums, der hier herumschnüffelte und nach diskreditierendem Material Ausschau hielt. Eine Ungenauigkeit hier – ein winziger, unbedeutender Fehler dort. Schweiß trat ihm auf die Stirn; aus Zorn wurde Entsetzen. Rechts von ihm befand sich ein Blumenbeet. Rosen und kleine Stiefmütterchen. Dann der feuchte grüne Rasen. Die strahlend weiße Garage mit dem halb geöffneten Tor. Das schnittige Heck eines 1954er Buicks – und dann das Haus selbst.
    Er mußte vorsichtig sein. Wenn es wirklich jemand vom Ministerium war, würde er die herrschende Hierarchie gegen sich haben. Vielleicht gehörte er zu den wichtigen Leuten. Vielleicht war es sogar Edwin Carnap, der Präsident des Amtes, der höchstrangige Beamte im Gebiet jenes New York des Weltdirektorates. Bebend stieg Miller die drei Betonstufen hinauf. Nun befand er sich auf der Veranda des für das zwanzigste Jahrhundert typischen Hauses, das den Mittelpunkt der Ausstellung darstellte.
    Es war ein hübsches, kleines Haus; hätte er in jener Zeit gelebt, dann in so einem Gebäude. Drei Schlafzimmer, ein kalifornischer Bungalow im Rancherstil. Er stieß die Vordertür auf und betrat das Wohnzimmer. Gegenüber ein Kamin. Dunkle, weinrote Teppiche. Eine moderne Couch und Lehnstühle. Ein niedriger Teakholztisch mit einer Glasplatte. Kupferaschenbecher. Ein Feuerzeug und ein Bündel Zeitschriften. Blitzende Stehlampen aus Plastik und Metall. Ein Bücherschrank. Ein Fernseher. Ein großes Fenster mit Blick auf den Garten. Er durchschritt das Zimmer und betrat den Korridor.
    Das Haus war erstaunlich komplett. Unter seinen Füßen ging von der Bodenheizung eine angenehme Wärme aus. Er blickte in das erste Schlafzimmer. Das Boudoir einer Frau. Eine seidene Bettdecke. Weiße, gestärkte Leinentücher. Schwere Vorhänge. Ein Spiegeltisch. Flaschen und Gläser. Ein großer runder Spiegel. Ein gut ausgestatteter Kleiderschrank. Ein Morgenrock, der über einer Stuhllehne hing. Hausschuhe.

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