Eine Handvoll Dunkelheit
fragte er: „Was sagt Louis dazu?“
„Ich habe ihn nicht gefragt.“
„Sie wissen, daß er nein sagen wird. Ich bin zu unerfahren. Natürlich weiß ich über die allgemeinen Dinge Bescheid; schließlich war ich von Anfang an dabei. Aber …“
„Seien Sie nicht so bescheiden“, sagte Kathy leise.
„Bitte“, wehrte Johnny ab, „belehren Sie mich nicht. Versuchen wir, Freunde zu bleiben; leidenschaftslose, entfernte Freunde.“ Und wenn es etwas gibt, das ich nicht vertragen kann, dachte er, dann ist es, von einer Frau belehrt zu werden, die mir helfen will.
Die Tür des Hotelzimmers sprang auf. Claude St. Cyr und Phil Harvey stolperten herein, dann erblickten sie Kathy, sahen ihn bei ihr stehen, und sie entspannten sich. „Also sind Sie auch hierhergekommen“, sagte St. Cyr zu Kathy und schnappte nach Luft.
„Ja“, bestätigte sie. „Er war sehr um Johnny besorgt.“ Sie berührte seinen Arm. „Begreifen Sie, wie viele Freunde Sie haben? Enge und entfernte?“
„Ja“, nickte er. Aber aus irgendwelchen Gründen empfand er tiefe, unglückliche Traurigkeit.
An diesem Nachmittag nahm sich Claude St. Cyr die Zeit, der Ex-Frau seines derzeitigen Arbeitgebers einen Besuch abzustatten.
„Hör mal, Schätzchen“, sagte St. Cyr, „ich versuche, bei diesem Handel etwas für dich herauszuschlagen. Wenn ich Erfolg habe …“ Er legte den Arm um Elektra Harvey und streichelte sie. „Dann wirst du ein wenig von dem zurückerhalten, was du verloren hast. Nicht alles, aber genug, damit du ein besseres Leben als jetzt führen kannst.“ Er küßte sie, und wie gewöhnlich, erwiderte sie seinen Kuß; sie wand sich, zog ihn zu sich herunter, drängte sich an ihn auf eine fast unheimliche Art. Es war sehr angenehm, und außerdem dauerte es lange Zeit. Und das war ungewöhnlich.
Elektra ließ ihn schließlich los und sagte: „Nebenbei bemerkt, weißt du, was mit dem Telefon und dem Fernseher nicht stimmt? Es scheint dauernd jemand in der Leitung zu sein. Und das Fernsehbild ist vollkommen verschwommen und unscharf, und es zeigt immer eine Art Gesicht.“
„Mach dir deswegen keine Sorgen“, riet Claude. „Wir arbeiten bereits daran; eine Reihe Leute suchen schon nach dem Fehler.“ Seine Leute gingen von Bestattungsinstitut zu Bestattungsinstitut; möglicherweise würden sie Louis’ Leichnam finden. Und dann würde dieser Unsinn aufhören … zur Erleichterung von jedermann.
Elektra trat an den Schrank, um etwas zu trinken zu holen. „Weiß Phil über uns Bescheid?“ Sie gab je drei Tropfen Bitter Lemon in die Whiskygläser.
„Nein“, gestand St. Cyr, „und es geht ihn auch nichts an.“
„Aber Phil hegt starke Vorurteile gegenüber Ex-Frauen. Ihm wird das nicht gefallen. Er wird dich für illoyal halten; da er mich nicht mehr mag, verlangt er, daß du ebenso darüber denkst. »Integrität’ nennt Phil das.“
„Ich bin froh, daß ich das erfahre“, erklärte St. Cyr, „aber ich kann verdammt wenig dagegen tun. Auf jeden Fall wird er es nicht herausfinden.“
„Trotzdem bin ich noch immer besorgt“, sagte Elektra und reichte ihm sein Glas. „Ich habe den Fernseher eingeschaltet, weißt du, und – ich weiß, es klingt verrückt, aber ich habe wirklich diesen Eindruck …“ Sie verstummte. „Nun, ich dachte, ich hätte den Fernsehansager über uns reden hören. Aber er hat so undeutlich gesprochen, oder der Empfang war so schlecht. Aber auf jeden Fall habe ich deinen und meinen Namen verstanden.“ Besorgt blickte sie zu ihm auf, während sie geistesabwesend ihr Kleid glatt strich.
Fröstelnd entgegnete er: „Liebling, das ist lächerlich.“ Er trat an das TV-Gerät und schaltete es ein.
Großer Gott, dachte er. Ist Louis Sarapis allgegenwärtig? Sieht er alles, was wir tun, von seinem Platz dort draußen im Weltraum?
Es war nicht gerade eine angenehme Vorstellung, vor allem, da er versuchte, Louis’ Enkeltochter zu einem Geschäft zu überreden, mit dem der alte Mann nicht einverstanden war.
Er läßt mich nicht in Ruhe, erkannte St. Cyr, als er automatisch mit unbeholfenen Fingern den Fernseher einstellte.
Alfonse Garn erklärte: „Um die Wahrheit zu sagen, Mr. Barefoot, habe ich schon vorgehabt, Sie anzurufen. Ich habe von Mr. Sarapis ein Telegramm bekommen, mit dem er mich anweist, Sie einzustellen. Jedenfalls bin ich der Ansicht, daß wir etwas völlig Neues präsentieren müssen. Margrave besitzt einen bemerkenswerten Vorsprung.“
„Das stimmt“, nickte
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