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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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schießt keiner mehr. Komm, jetzt gehen wir zum Laden von Frau Wentzel.«
    Wir liefen weiter und bogen um die nächste Hausecke, als uns eine alte Frau in ihrem Garten zu uns rief. »Hallo, ihr beiden, du bist sicher Monika, ja?«, sagte sie, und ich nickte.
    »Guten Tag, Tante Ida«, grüßte Bernhard und verbeugte sich sogar. »Ich zeige Monika das Dorf.«
    Tante Ida beachtete ihn nicht weiter, sondern wandte sich wieder an mich. »Lass dich mal ansehen, mein Kind, ich habe schon viel von dir gehört … Wenn du mal Ärger mit Vati hast, kommst du einfach zu mir. Du weißt ja jetzt, wo ich wohne.«
    »Ja«, sagte ich verlegen. Tante Ida mochte ich auf Anhieb, sie hatte beim Lachen die gleichen Falten wie Oma.
    »Besucht mich doch nachher, ich habe heute Kuchen gebacken. Dann bekommt ihr ein Stück.«
    Bernhard sagte, dass wir gerne kämen, und zog mich weiter.
    Wir liefen durch die Dorfstraßen, und ständig zeigte Bernhard auf ein anderes Haus und erzählte mir, wer darin wohnte. Meist waren es Schulfreunde, wobei ich gar nicht wusste, was das für Freunde sein sollten. Dann erreichten wir ein Haus mit einem Treppenaufgang und als Bernhard die Tür aufstieß, bimmelte ein Glöckchen und durch einen Vorhang trat eine Frau in den Verkaufsraum. »Bernhard, das ist aber schön, willst du deiner neuen Schwester meinen Laden zeigen? Oder wolltest du etwas kaufen?«
    »Nein, danke. Heute habe ich kein Geld dabei. Ich wollte Monika nur zeigen, wo wir unsere Bonbons herbekommen.«
    »Dann kommt mal zur Theke …« Die Frau in der weißen Schürze holte ein hohes Glasgefäß mit lauter roten Kugeln darin aus einem Regal. »Haltet mal eine Hand auf«, sagte sie und gab jedem von uns drei von den Kugeln. »Heute schenke ich euch die Bonbons, damit ihr nicht ohne nach Hause gehen müsst.« Meine steckte ich in eine der beiden Taschen von meinem Kleid, Bernhard steckte sich gleich ein Bonbon in den Mund, die anderen in die Hosentasche.
    Gut gelaunt spazierten wir weiter. »Dort ist der Bäckerladen und da hinten die Schule.« Bernhard zeigte auf ein großes Gebäude mit einer Freitreppe. »Wenn dein Fuß wieder ganz gesund ist, kommst du auch in die Schule.«
    »Was ist das denn, eine Schule?«
    »Da muss jedes Kind hin, um Rechnen, Schreiben und so was zu lernen. Aber jetzt haben wir Ferien.«
    »Wie viele Kinder sind in so einer Schule?«, fragte ich. Der Gedanke, mit vielen Kindern in einem Haus sein zu müssen, gefiel mir gar nicht. »Eine ganze Menge, aber es gibt verschiedene Klassen, und jede hat ihren eigenen Klassenraum.«
    »Kannst du mir denn nicht beibringen, was du schon gelernt hast? Dann brauche ich nicht dort hinzugehen.«
    Bernhard lachte. »Nein, das ist ja viel zu viel, was ich dir dann zeigen müsste.«
    Nachdem wir durch einen Park gelaufen waren, standen wir wieder auf dem Platz nahe dem Gutshaus, aber jetzt waren wir dort von Kindern umringt, die verschiedene Spiele spielten. Ein paar Jungen schubsten große Eisenringe mit Stöcken vorwärts, die über den Platz rollten. Andere Kinder warfen bunte Glaskugeln in ein Erdloch. Wenn eine Kugel neben dem Loch gelandet war, schoben sie sie mit den Fingern hinein. »Ich möchte auch so eine Kugel in das Loch werfen«, sagte ich. Und ein Mädchen, das meinen Wunsch gehört hatte, rief: »Hast du denn deine Murmeln dabei?« Ich fühlte nach den Bonbons in meiner Tasche. Aber da antwortete Bernhard für mich. »Wir haben unsere Murmeln zu Hause, wir spielen ein anderes Mal mit.« Ich schaute ihn fragend an. Ob er wohl gelogen hatte? Aber Bernhard ergriff ohne eine weitere Erklärung meine Hand und zog mich an ein paar Mädchen vorbei, die ein Hüpfspiel spielten; dafür hatten sie Kästchen auf den Boden gezeichnet. Ich machte mich aus Bernhards Hand frei und schaute den Mädchen neugierig zu. Wie gern würde ich so hüpfen können …
    »Monika, nun komm, Tante Ida wartet bestimmt schon mit dem Kuchen!«
    Und tatsächlich, die alte Dame hatte bereits Teller und Tassen für uns gedeckt, und ein hoher Kuchen mit einem Loch in der Mitte stand auf dem Tisch. »Tante Ida«, sagte Bernhard, »Monika kann nicht so viel essen, sie ist noch krank, bitte gib ihr nur ein kleines Stückchen von dem Kranz.«
    »Aber ich möchte ein großes Stück«, sagte ich verärgert.
    »Na, dann nimmst du dir einfach noch ein Stück für morgen mit. Und für eure Eltern lege ich auch zwei dazu.«
    Es wurde Zeit, nach Hause zu gehen, doch ich musste mal wieder dringend auf die Toilette und

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