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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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mich aus dem Bett, über den Flur und in die Küche. »Vati, was machst du denn?«, rief Bernhard und lief uns hinterher. Ich zappelte, trat um mich, weinte und rief immer wieder: »Lass mich!« Doch wie sollte ein mageres und klein gewachsenes Mädchen wie ich gegen einen Mann von vielleicht einem Meter neunzig ankommen?
    In der Küche stand eine blaue Wanne mit Wasser, und jetzt wollte mir der Pflegevater das Nachthemd ausziehen. Ich schlug und trat um mich, als ginge es um mein Leben. Trotzdem schaffte er es, mich nackt in die Wanne zu heben. In dem Moment, als er meinen entblößten Körper berührt hatte, konnte ich den Urin nicht mehr halten, und das Pipi lief an meinen Beinen hinunter, auf den Boden und ins Wasser, wo mich meine Kräfte schließlich verließen und ich wie ein Häufchen Elend im Wasser kauerte. »Arthur, was soll das denn? Monikas Fuß ist noch nicht ganz verheilt. Geht mal beide raus.« Bernhard stand hinter der Pflegemutter, er hatte sie wohl dazugeholt. »Ich kümmere mich um Monika«, sagte die Pflegemutter.
    »Warum hast du dich denn nass gemacht?«, fragte sie, als wir allein waren.
    »Ich weiß es nicht.« Meine Stimme zitterte. Sie wusch mich, zog mich an und setzte mich an den gedeckten Frühstückstisch. »Arthur, Bernhard!«, rief sie. Die beiden waren noch nicht ganz in der Küche, da sagte der Pflegevater zu mir: »Du bekommst heute kein Frühstück. Wer ins Bett macht, braucht kein Essen.« Ich hörte seine Worte, und schon begann mein ganzer Körper so stark zu zittern, dass Arme und Beine unkontrolliert zuckten. Ich spürte, wie meine Füße gegen die Stuhlbeine schlugen, und konnte nichts dagegen tun. Und keiner half mir, keiner sagte etwas. Die Familie frühstückte. Wortlos.
    Gerade als der Pflegevater sich vom Stuhl erhoben hatte, kletterte ich auf meinen Stuhl, packte mit beiden Händen von dem Brot, das noch im Korb lag, und war im nächsten Moment in der hintersten Ecke unter dem Tisch verschwunden. Gierig stopfte ich die Scheiben in mich hinein und summte kauend meine Lieder. »Das ist ja nicht auszuhalten«, sagte der Pflegevater noch und eilte aus der Küche. Die Pflegemutter redete beruhigend auf mich ein, doch ich hörte nicht hin.
    Wie ein unerwarteter Faustschlag erwischte mich kurz darauf die Übelkeit, und ich erbrach alles, was ich so unüberlegt verschlungen hatte, auf den Boden. Die Pflegemutter und Bernhard beugten sich zu mir hinunter, wollten mir hinaufhelfen, aber ich war nur darauf fixiert, mir das Erbrochene schnellstmöglich wieder in den Mund zu stopfen. Niemand sollte mir mein Essen wegnehmen! Niemand!
    »Monika, nicht doch, Kind, du bekommst doch ein Frühstück, lass das liegen.« Das Zureden der Pflegemutter zeigte keine Wirkung, ich nahm es wahr und nahm es auch nicht wahr. Alles, was nicht das Essen und das Erbrochene betraf, war mir gleichgültig. Ich blieb noch eine ganze Weile summend unter dem Tisch sitzen.
    Solche Zwischenfälle gab es immer wieder, doch mit den Wochen, die vergingen, veränderte ich mich auch. Nicht nur, dass ich auf die Verbände um Kopf und Fuß verzichten konnte, meine blonden Locken wuchsen allmählich nach, und ich fasste vor allem zu Tante Frieda Vertrauen und half ihr oft in der Küche. Lieber als mit den Kindern im Haus zu spielen, half ich, Kartoffeln zu schälen oder Geschirr abzuwaschen. In der Küche gab es auch immer eine Kleinigkeit zu kosten, was mir gefiel. Ich aß lieber ein kleines Stück Kartoffel vom Probierteller als ein ganzes Mittagessen am gedeckten Tisch mit der Familie.
    Eines Tages, als ich mich wieder einmal zu Tante Frieda in die Küche verzogen hatte, kam Bernhard. »Ich will dich heute herumführen, Monika. Du hast ja noch gar nichts von unserem Dorf gesehen.«
    »Aber ich muss Tante Frieda helfen«, versuchte ich mich herauszureden. Doch Tante Frieda pflichtete Bernhard bei und sagte noch: »Die frische Luft wird dir guttun.«
    An der Hand von Bernhard verließ ich zum ersten Mal das Haus durch die Vordertür und ging an den Fliederbäumen vorbei auf die Straße, wo der Wagen des Doktors bei meiner Ankunft gehalten hatte. Nicht weit entfernt gab es einen schönen Dorfplatz mit Bänken unter Bäumen und Laternen und hübschen Häusern drumherum. Es sah friedlich aus. »Bernhard, warum läuft hier denn keiner weinend durch die Straßen, und warum schießen sie hier nicht?«
    »Schießen? … Ach, du meinst wohl wie im Krieg? Der ist doch schon lange vorbei. Du musst keine Angst haben. Es

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