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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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doch so sehr danach: nach einer Umarmung, einem zärtlichen Blick, nach Lob und Anerkennung oder einem lieben Wort. Jetzt hing ich häufig traurigen Gedanken nach. So auch an diesem Tag, als ich nach dem Spülen und Aufräumen in der Küche das Bad putzte, das nach Mamas Parfüm duftete.
    »Monika, kommst du mal ins Wohnzimmer!« Mama hatte mit Toni und den Kleinen einen Einkaufsbummel gemacht, den Laden hatten sie heute gar nicht erst geöffnet. Er laufe nicht besonders und sie wollten sich nach etwas anderem umschauen, hatte sie am Morgen verkündet.
    Lustlos ging ich ins Wohnzimmer, wo zu meinem Erstaunen alle erwartungsvoll um den Tisch saßen. Es standen zwei Einkaufstüten auf dem Boden. »Na, du guckst aber mürrisch. Das wird sich sicher gleich ändern«, sagte Mama und reichte mir die Tüten. Ich nahm sie und öffnete die erste unsicher. Es war ein Paar roter Schuhe mit hohem Absatz darin. Ich hätte lieber nicht hineingeguckt. Was sollte ich damit?
    »Ja, Monika, freust du dich denn gar nicht?«, rief nun Toni. »Wir wollen dich und Annemarie heute Abend mit zum Tanzen nehmen, Annemarie probiert ihre neuen Sachen schon in ihrem Zimmer an.«
    »Anziehen, anziehen!«, rief Marion aus ihrem Kinderstuhl.
    Aus der zweiten Tasche zog ich ein feines schwarzes Ausgehkleid und seidene Unterwäsche hervor. Trotzdem kam keine Freude in mir auf. »Auf den Schuhen kann ich bestimmt nicht gehen, da falle ich mit um«, sagte ich verzweifelt.
    »Geh erst einmal in dein Zimmer, und probier alles an.« Mama nickte mir aufmunternd zu.
    Als ich die Zimmertür hinter mir geschlossen hatte, warf ich mich aufs Bett. Was sollte ich mit diesen Sachen? Das waren doch keine Mädchenkleider! Was würden der Pflegevater und die Nonnen dazu sagen? Das erste Mal seit Langem kaute ich an meinen Nägeln. Aber diesmal aus Nervosität.
    »Monika, kommst du zurecht?«, rief Mama.
    »Ja, ich komme gleich!« Ich hatte keine Wahl, stieg aus meinem Kleid und meiner Wäsche und zog die neuen Sachen über. So weit wie möglich schloss ich den langen Reißverschluss auf dem Rücken, ein Stück blieb offen. Meine Hände tasteten über mein Dekolleté. Das Kleid war entweder zu groß oder fehlerhaft. Die Brust war höchstens halb bedeckt.
    Es klopfte leise, und Annemarie kam herein. Sie trug ebenfalls ein schwarzes Kleid, und auch ihr Ausschnitt war mehr als großzügig bemessen. Sie lächelte unbeholfen und stakste auf schwarzen Stöckelschuhen in mein Zimmer. Oje, die Schuhe … Widerwillig schlüpfte ich erst in den rechten, dann in den linken roten Pumps. Der rechte saß enger als der linke. Ich setzte einen Fuß vor den anderen, erstaunlich, wie gut ich in diesen Damenschuhen stehen und gehen konnte. Das hatte ich nicht erwartet. »Du siehst wunderschön aus«, sagte Annemarie.
    »Du aber auch«, gab ich zurück. Und dann stellten wir uns vor den großen Spiegel in der Kleiderschranktür. Wir sahen wie junge Damen aus und nicht mehr wie zwei Mädchen, die im Haushalt halfen. Kichernd gingen wir ein paar Schritte auf und ab. Nur, warum mussten meine Schuhe ausgerechnet dieses leuchtende Rot haben? Ich hätte auch lieber schwarze Schuhe getragen. Das Rot wirkte unanständig auf mich.
    Gemeinsam gingen wir zu den anderen, und wahre Jubelstürme brachen los. »Du siehst aus wie deine Mama, als ich sie kennengelernt habe. Du bist genauso schön!«, rief Toni mir zu.
    »Na, ein bisschen jünger ist sie, als ich es damals war«, sagte Mama. »Aber unsere Ähnlichkeit können wir wirklich nicht verleugnen.« Sie lachte. »Na, dann machen wir uns auch mal fertig, Toni. Und ihr beiden dürft heute ein bisschen länger aufbleiben, die Resi kommt und passt auf euch auf.« Das Letzte hatte sie zu Thomas und Marion gesagt.
    Schon auf dem Marktplatz war die Musik zu hören. Annemarie und ich stöckelten hinter Mama und Toni her in das Lokal, wo wir nach dem Ablegen unserer Mäntel von mehreren Leuten herzlich begrüßt wurden. »Barbara, deine Tochter ist dir ja wie aus dem Gesicht geschnitten! Warum hast du sie uns nur so lange vorenthalten?«, fragte der Besitzer der Tanzbar. Georg Schmied, so der Name des Mannes, den uns Toni vorstellte, nahm meine Mutter lachend in den Arm. »Jetzt hat der Toni vier schöne Frauen um sich, das ist ungerecht, ich habe nur eine zu Hause.« Alle lachten, und auch ich musste schmunzeln, die kleine Marion hatte er wohl mitgezählt.
    »Ich hab euch euren Stammplatz reserviert«, sagte Georg Schmied und fügte hinzu: »Barbara,

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