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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dahlhoff
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die Kapelle wartet schon.«
    Mama verdrehte die Augen, aber dann schritt sie lachend zu dem freien Tisch hinüber, und ich beobachtete, wie ihr einer der Musiker – sie trugen alle feine schwarze Anzüge und weiße Hemden mit Krawatten – etwas ins Ohr sagte. Danach gab er ihr das Mikrofon, und die Kapelle begann ein neues Lied zu spielen.
    Früher hatte mir Mama Kinderlieder vorgesungen, und ich hatte es geliebt, aber jetzt sang sie wie eine echte Sängerin, und das ganze Lokal schaute gebannt zu ihr hinüber. Toni hatte sich in ihre Nähe gestellt und himmelte sie geradezu an und während sie sang, ging sie die wenigen Schritte zu ihm, legte ihre Hand auf seinen Arm und blickte ihn verführerisch an.
    Wir kamen von Süden und Norden,
    mit Herzen so fremd und so stumm.
    So bin ich die Deine geworden,
    und ich kann dir nicht sagen warum.
    Denn als ich mich an dich verloren,
    hab ich eines andern gedacht.
    So ward die Lüge geboren,
    schon in der ersten Nacht.
    Nur nicht aus Liebe weinen,
    es gibt auf Erden nicht nur den einen.
    Es gibt so viele auf dieser Welt,
    ich liebe jeden, der mir gefällt!
    Und darum will ich heut dir gehören,
    du sollst mir Treue und Liebe schwören,
    wenn ich auch fühle, es muss ja Lüge sein,
    ich lüge auch und bin dein.
    Der Beifall und die anerkennenden Rufe wollten nicht verebben. Doch Mama schüttelte lachend den Kopf, eine Zugabe würde sie anscheinend nicht geben. Ein Kellner brachte eine Flasche Sekt im Eiskübel, und Mama ließ sich einschenken und prostete dem Publikum dankend zu. Die Kellner wuselten um uns herum und servierten Häppchen, die hübsch dekoriert auf Tellern lagen. Toni reichte Annemarie und mir ein Glas mit feinem Stiel, wie es auch Mama in der Hand hielt. Feine Luftblasen stiegen in dem Getränk auf, wie bei Mamas Sekt. Ob auch wir … Ich konnte den Gedanken nicht zu Ende denken, denn schon stießen wir miteinander an, und alle setzten die Gläser an die Lippen. Ich zögerte noch, nahm dann einen Schluck, und sofort spürte ich ein Kribbeln auf der Zunge und am Gaumen, wie ich es von keinem anderen Getränk her kannte. Als Toni meinen entsetzten Blick bemerkte, stieß er mir lachend in die Seite und rief gegen die Musik an: »Heute wird gefeiert, wir trinken, essen und tanzen bis in die Nacht hinein.« Und im nächsten Augenblick nahm er mir das Glas aus der Hand, stand auf und verneigte sich vor mir. »Darf ich bitten?«
    Ich wusste nicht, was er von mir wollte. Aber da hatte er mich schon auf die Tanzfläche gezogen, und ich erinnerte mich an den Nachmittag beim Fellhornwirt, doch diesmal brauchte ich nur in seinem Arm zu liegen, und wir schwebten über die Tanzfläche. So kam es mir zumindest vor. »Du lernst schnell, Monika. Das gefällt mir«, raunte er mir ins Ohr, und ich schämte mich und fühlte mich zugleich geschmeichelt. Wir tanzten immer weiter, und auf einmal sah ich Annemarie mit einem jungen Mann auf der Tanzfläche. Und da war auch Mama im Arm von Herrn Schmied. »Ich muss mich mal setzen«, sagte ich nach dem vierten oder fünften Tanz, ich wollte Mama nicht verärgern, bestimmt würde sie auch gern mit Toni tanzen. Ihn schien das nicht zu interessieren, denn er bettelte, dass wir noch nicht aufhören sollten, und drückte mich noch fester an sich. Das schöne Gefühl, geborgen in seinem Arm zu liegen, verwandelte sich abrupt in ein angstvolles Zittern. Ich drängte, dass wir wieder zu unserem Tisch zurückgingen. Und zum Glück kam mir Mama zu Hilfe, die uns zur Bar hinüberwinkte. Erleichtert stellte ich mich an ihre Seite und vermied es, Toni anzuschauen. Erst jetzt fühlte ich, wie sehr meine Füße schmerzten. Spätestens auf dem Nachhauseweg musste ich diese verfluchten Schuhe ausziehen.
    Ich lag eine Weile im Bett und versuchte, trotz der bunten Bilder in meinem schweren Kopf endlich einzuschlafen, als mir der Ofen einfiel. Ich hatte das abendliche Anschüren vor lauter Aufregung über den Abend völlig vergessen. Mein Herz schlug heftiger; was, wenn es am Morgen in der Wohnung kalt war? Würde ich Schläge bekommen? Barfuß, mit Blasen an den Füßen und im Nachthemd schlich ich durch die dunkle Wohnung und in den Keller hinunter, wo ich in allen Räumen das Licht einschaltete. So wurde es zwar nicht taghell, aber immerhin nicht so düster wie in den Baracken oder im Keller in Zuchau.
    Müde tappte ich auf dem kalten Steinboden zum Ofen und tatsächlich, das Feuer war bereits erloschen. Im Lager hatte ich oft den Ofen neu

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