Eine Handvoll Worte
Jackett; sie hat ihn einmal damit aufgezogen, dass es eine Uniform für Schriftsteller sei. Dezent, gedämpft, teuer. In diesem Aufzug hat sie ihn vor Augen, wenn sie nicht bei ihm ist. »Wie war Dublin?«
»Hektisch. Stressig.« Er wickelt sich den Schal ab. »Ich habe diese neue Redakteurin, Ros, und die hält es anscheinend für ihre Pflicht, etwas in jeden letzten Fünfzehn-Minuten-Sendeplatz zu packen. Sie hat mir sogar Toilettenpausen zugeteilt.«
Sie lacht.
»Was trinkst du?« Er winkt einen Kellner herbei, nachdem er ihr leeres Glas gesehen hat.
»Weißwein.« Sie hat nicht vorgehabt, mehr zu trinken: Sie versucht, den Konsum etwas einzuschränken, aber jetzt ist er hier, und in ihrem Magen haben sich solche Knoten gebildet, die nur Alkohol lösen kann.
Er plaudert weiter über seine Reise, die verkauften Bücher, die Veränderungen im Dubliner Hafenviertel. Sie betrachtet ihn dabei. Sie hat irgendwo gelesen, dass man nur in den ersten fünf Minuten wirklich erkennt, wie jemand aussieht, danach ist es bloß ein Eindruck, beeinflusst davon, was man von dem anderen denkt. Das tröstete sie, wenn sie morgens mit aufgedunsenem Gesicht aufwachte, nachdem sie zu viel getrunken hatte, oder mit verquollenen Augen vom Schlafmangel. Für mich wirst du immer gut aussehen, sagt sie ihm in Gedanken.
»Du arbeitest heute also nicht?«
Sie nimmt den Faden wieder auf. »Ich habe heute frei. Letzten Sonntag habe ich gearbeitet, weißt du noch? Aber ich werde ohnehin noch im Büro vorbeischauen.«
»Woran arbeitest du?«
»Oh, nichts besonders Aufregendes. Ich habe einen interessanten Brief gefunden und möchte im Archiv herumschnüffeln, falls es noch welche in der Art gibt.«
»Einen Brief?«
»Ja.«
Er zieht eine Augenbraue hoch.
Eine kurze Pause tritt ein.
»Nichts Nennenswertes, echt.« Sie zuckt mit den Schultern. »Er ist alt. Von 1960.« Sie weiß nicht, warum sie sich zurückhält, aber sie käme sich merkwürdig vor, wenn sie ihm die ungeschützten Emotionen auf der Seite zeigen würde. Sie befürchtet, er könnte annehmen, dass sie Hintergedanken damit verfolgt.
»Ah. Die Einschränkungen waren damals viel stärker. Ich schreibe gern über diese Zeit. Das ist viel wirkungsvoller, um Spannung aufzubauen.«
»Spannung?«
»Zwischen dem, was wir wollen, und dem, was wir dürfen.«
Sie schaut auf ihre Hände. »Ja. Erzähl mir was Neues.«
»Das Stoßen an Grenzen … diese ganzen strengen Verhaltensregeln.«
»Was du nicht sagst.« Sie begegnet seinem Blick.
»Nicht machen«, murmelt er grinsend, »nicht in einem Restaurant. Böses Mädchen.«
Die Macht der Worte. Sie kriegt ihn jedes Mal.
Sie spürt den Druck seines Beines an ihrem. Später werden sie in ihre Wohnung gehen, und sie wird ihn mindestens eine Stunde lang für sich haben. Es ist nicht genug, das ist es nie, aber bei dem Gedanken daran, sein Körper an ihrem, wird ihr schon schwindelig.
»Möchtest du … immer noch essen?«, fragt sie langsam.
»Das hängt davon ab …«
Ihre Blicke lassen sich nicht los. Für sie gibt es nichts in der Bar außer ihm.
Er verändert seine Sitzhaltung. »Oh, bevor ich es vergesse, ich werde ab dem siebzehnten fort sein.«
»Wieder eine Lesereise?« Seine Beine schlingen sich unter dem Tisch um ihre. Sie kann sich nur mit Mühe konzentrieren. »Diese Verlage halten dich wirklich auf Trab.«
»Nein«, erwidert er mit neutraler Stimme. »Urlaub.«
Kurze Pause. Und da war es. Ein akuter Schmerz, so etwas wie ein Schlag in die Magengrube. Immer in die Weichteile.
»Schön für dich.« Sie zieht die Beine zurück. »Wohin geht es denn?«
»Barbados.«
»Barbados.« Sie kann ihre Überraschung nicht verbergen. Barbados. Nicht zelten in der Bretagne. Kein Ferienhaus einer entfernten Cousine im verregneten Devon. Barbados klingt nicht nach anstrengendem Familienurlaub. Eher nach Luxus, weißem Sand, einer Frau im Bikini. Barbados klingt nach einem Leckerbissen, einem Ziel, das besagt, dass ihre Ehe noch Bestand hat. Man kann davon ausgehen, dass sie auch miteinander schlafen.
»Vermutlich wird es keinen Internet-Anschluss geben, und telefonieren wird schwierig. Nur dass du es weißt.«
»Funkstille.«
»So etwas in der Art.«
Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Insgeheim ist sie wütend auf ihn, während der Verstand ihr sagt, dass sie kein Recht dazu hat. Hat er ihr überhaupt je etwas versprochen?
»Trotzdem. Mit kleinen Kindern gibt es keinen Urlaub«, sagt er und trinkt einen Schluck. »Nur
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