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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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hatte, einer Auslandskorrespondentin, eines Menschen, der das alles noch nie gesehen hatte. Ihr fielen nur ein paar Einzelheiten auf, ein überwiegender Eindruck, denn sie wusste, dass sie es womöglich nie wiedersehen würde. Ihr Leben, wie sie es gekannt hatte, war vorbei, und am liebsten hätte sie gesungen.
    So verabschiedete sich Jennifer Stirling von ihrem früheren Leben, von den Tagen, an denen sie über diese Straßen gegangen war, beladen mit Einkaufstüten, in denen Dinge steckten, die ihr nichts mehr bedeuteten, sobald sie nach Hause kam. An diesem Punkt, in der Nähe der Marylebone Road, hatte sie jeden Tag die Versteifung einer inneren Klammer gespürt, wenn sie sich dem Haus näherte, das sich nicht mehr wie ein Zuhause, vielmehr wie eine Art Buße anfühlte.
    Sie fuhren an dem Karree vorbei mit ihrem stillen Haus, eine Welt, in der sie keinen Gedanken ausdrücken, keine Handlung vollziehen konnte, ohne sich Kritik von einem Mann zuzuziehen, den sie so unglücklich gemacht hatte, dass er sie nur bestrafen konnte, mit Schweigen, erbarmungsloser Geringschätzung und einer Atmosphäre, in der ihr beständig kalt war, selbst im Hochsommer.
    Ein Kind konnte davor schützen, aber nur bis hierher. Und während das, was sie tat, sie womöglich in den Augen ihrer Umgebung herabsetzen würde, könnte sie ihrer Tochter zeigen, dass es eine andere Art zu leben gab. Eine Art, die nichts damit zu tun hatte, sich selbst zu betäuben, die nicht bedeutete, dass man sein ganzes Leben als Entschuldigung dafür zubrachte, wer man war.
    Sie sah das Fenster, in dem die Prostituierten sich ausstellten; die klopfenden Mädchen waren umgezogen. Ich hoffe, ihr habt ein besseres Leben, sagte sie ihnen im Stillen. Ich hoffe, ihr seid frei von dem, was euch dort festhielt. Jeder hat diese Chance verdient.
    Esmé aß noch immer ihre Süßigkeiten und betrachtete die geschäftigen Straßen aus dem anderen Fenster. Jennifer legte den Arm um das kleine Mädchen und zog es zu sich heran. Esmé steckte sich ein Bonbon in den Mund. »Mummy, wohin fahren wir?«
    »Wir treffen einen Freund, und dann begeben wir uns auf ein Abenteuer, mein Schatz«, erwiderte sie, plötzlich aufgeregt. Sie hatte nichts, dachte sie. Nichts.
    »Ein Abenteuer?«
    »Ja. Ein Abenteuer, das schon vor Urzeiten hätte stattfinden sollen.«
    Die Story auf Seite vier über die Abrüstungsverhandlungen würde keinen Leitartikel hergeben, dachte Don Franklin, während sein Korrektor Alternativen ausarbeitete. Er wünschte, seine Frau hätte keine rohen Zwiebeln auf seine Leberwurstsandwichs gelegt. Davon bekam er immer Blähungen. »Wenn wir die Zahnpastawerbung auf die Seite schieben, könnten wir den Raum hier mit dem tanzenden Priester ausfüllen«, schlug der Stellvertreter vor.
    »Ich mag diese Story nicht.«
    »Was ist mit der Theaterkritik?«
    »Schon auf Seite achtzehn.«
    »Die Augen nach West-Südwest, Sir.«
    Franklin rieb sich den Bauch und blickte auf. Eine Frau eilte durch die Zeitungsredaktion. Sie trug einen kurzen schwarzen Trenchcoat und hatte ein blondes Kind dabei. Ein kleines Mädchen in der Zeitungsredaktion erfüllte Don mit Unbehagen, als würde er einen Soldaten im Petticoat sehen. Verkehrte Welt. Die Frau blieb bei Cheryl stehen und fragte etwas, und Cheryl deutete auf ihn.
    Es hatte den Bleistift in den Mundwinkel geklemmt, als sie näher kam. »Tut mir leid, wenn ich Sie störe, aber ich muss mit Anthony O’Hare sprechen.«, sagte sie.
    »Und Sie sind?«
    »Jennifer Stirling. Ich bin eine Freundin von ihm. Ich komme gerade aus seinem Hotel, aber dort hieß es, er sei abgereist.« Ihr Blick war besorgt.
    »Sie haben vor zwei Tagen die Notiz vorbeigebracht«, erinnerte sich Cheryl.
    »Ja«, sagte die Frau, »das habe ich.«
    Er beobachtete die Art und Weise, wie Cheryl sie von oben bis unten musterte. Das Kind hatte den Lutscher halb gegessen, der eine klebrige Spur am Ärmel der Mutter hinterlassen hatte. »Er ist nach Afrika«, sagte er.
    »Was?«
    »Nach Afrika.«
    Sie wurde vollkommen still, das Kind ebenso. »Nein.« Ihre Stimme krächzte. »Das kann nicht sein. Er hatte sich noch nicht einmal entschieden, ob er dorthin wollte.«
    Don nahm den Bleistift aus dem Mund und zuckte mit den Schultern. »Bei der Nachrichtenredaktion muss alles schnell gehen. Er ist gestern abgereist, hat den ersten Flug bekommen. Er wird in den nächsten Tagen unterwegs sein.«
    »Aber ich muss mit ihm sprechen.«
    »Man kann keinen Kontakt mit ihm aufnehmen.«

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