Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
Vom Netzwerk:
hob und senkte, zeigte ihm, wie sehr er sie erschreckt hatte. Ihre Blicke hielten einander fest, und in diesen wenigen, schweigsamen Augenblicken sagte er ihr alles. Er sagte ihr, sie sei das Erstaunlichste, das ihm je begegnet war. Er sagte ihr, sie verfolge ihn in seinen wachen Stunden, jedes Gefühl, jede Erfahrung, die er bisher in seinem Leben gemacht habe, sei schal und unbedeutend im Vergleich zu dieser Ungeheuerlichkeit.
    Er sagte ihr, dass er sie liebte.
    »Zweiter Stock.«
    Sie blinzelte, und sie gingen auseinander, als ein Mann aus dem hinteren Bereich sich entschuldigte, zwischen sie trat und den Aufzug verließ. Als die Lücke sich hinter ihm schloss, griff Anthony in seine Tasche und holte den Brief hervor. Er trat einen Schritt nach rechts und hielt ihn ihr hinter dem Abendjackett eines Mannes hin, der hustete, woraufhin der Aufzug ein wenig hüpfte. Ihr Mann schüttelte den Kopf über eine Bemerkung seines Gesprächspartners. Die beiden Männer lachten humorlos. Einen Augenblick lang dachte Anthony, sie würde den Brief nicht annehmen, doch dann schoss ihre Hand unmerklich vor, und schon verschwand der Umschlag in ihrer Handtasche.
    »Dritter Stock«, sagte der Liftboy. »Restaurant.«
    Alle außer Anthony traten vor. Stirling warf einen Blick nach rechts, offenbar fiel ihm die Anwesenheit seiner Frau wieder ein, streckte eine Hand aus, keine liebevolle Geste, wie Anthony feststellte, und scheuchte sie hinaus. Die Tür schloss sich hinter ihr, und er war allein, während der Aufzug sich in Bewegung setzte, sobald der Liftboy »Parterre« gerufen hatte.
    Anthony hatte kaum mit einer Antwort gerechnet. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach der Post zu schauen, bis er spät aus dem Haus ging und zwei Briefe auf der Fußmatte fand. Halb ging, halb lief er über den heißen, überfüllten Bürgersteig, sein Koffer schlug an seine Beine. Er sollte um halb drei in Heathrow sein. Der Anblick ihrer Handschrift hatte ihm einen kleinen Schock versetzt, dem Panik folgte, da es bereits zehn vor zwölf und er am verkehrten Ende Londons war.
    Postman’s Park. Mittag.
    Natürlich waren keine Taxis zu haben. Er war unterwegs irgendwo in die U-Bahn gestiegen und hatte den Rest im Laufschritt zurückgelegt. Sein ordentlich gebügeltes Hemd klebte ihm jetzt am Körper; die Haare hingen ihm in die verschwitzte Stirn. »Verzeihung«, murmelte er, als eine Frau in hochhackigen Sandalen schimpfte, da sie gezwungen war, ihm aus dem Weg zu gehen. »Verzeihen Sie mir. « Ein Bus hielt an, stieß purpurroten Qualm aus, und Anthony hörte, wie der Schaffner das Signal zur Weiterfahrt gab. Er zögerte, als die Passagiere sich auf den Bürgersteig ergossen, schnappte nach Luft und schaute auf seine Armbanduhr. Es war schon Viertel nach zwölf. Durchaus möglich, dass sie ihn bereits aufgegeben hatte.
    Was zum Teufel machte er? Wenn er seinen Flug verpasste, würde Don persönlich dafür sorgen, dass er die nächsten zehn Jahre für das Ressort Goldene Hochzeit und andere Jahrestage zuständig war. Man würde es als ein weiteres Beispiel für seine Unfähigkeit betrachten, zurechtzukommen, ein Grund, die nächste gute Story Murfett oder Phipps zu geben.
    Geduckt und keuchend lief er durch die King Edward Street, dann war er in einer winzigen Oase des Friedens mitten in der Stadt. Der Postman’s Park war ein kleiner Garten, erschaffen von einem viktorianischen Wohltäter, um das Leben alltäglicher Helden zu würdigen. Schwer atmend ging er bis in die Mitte.
    Alles war blau, ein Gewimmel aus Blau, das sich sanft bewegte. Bei genauerem Hinschauen sah er Briefträger in ihren blauen Uniformen, einige gingen spazieren, andere lagen im Gras, ein paar standen in einer Reihe an der Bank vor den polierten Gedenktafeln, die an einzelne Heldentaten erinnerten. Die Briefträger von London, von ihren Runden und Postsäcken befreit, genossen die Mittagssonne, hemdsärmelig, mit ihren Sandwichdosen, plauderten, tauschten Essen aus, entspannten sich im getüpfelten Schatten unter den Bäumen.
    Sein Atem hatte sich normalisiert. Er ließ seinen Koffer fallen und fischte nach einem Taschentuch, tupfte sich die Stirn ab und drehte sich dann langsam im Kreis, versuchte, hinter die großen Farne zu schauen, über die Kirchenmauer bis in die überschatteten Enklaven der Bürogebäude. Er suchte den Park nach einem smaragdgrünen, mit Schmuck besetzten Kleid ab, dem Aufblitzen von blassblondem Haar, das sie hervorheben würde.
    Sie war

Weitere Kostenlose Bücher