Eine Handvoll Worte
war und leicht nach vorn gebeugt, wie zu einem Bittgebet. Er wollte seinen Mund darauf drücken, schmeckte bereits die bleiche, leicht sommersprossige Haut. Sein Daumen blieb zart dort liegen und schwelgte in Vorfreude auf das, was kommen würde. Sie stieß bei dem sanften Druck so leise die Luft aus, dass er es eher spürte denn hörte. Und etwas in ihm kam zum Stillstand.
Er schaute auf den Flaum an den Stellen, an denen ihr goldenes Haar auf ihre Haut traf, auf die schlanken Finger, die es noch immer hochhielten. Und er begriff mit entsetzlicher Gewissheit, was passieren würde.
Anthony O’Hare schloss seine Augen ganz fest und knöpfte ihr Kleid dann mit äußerster Behutsamkeit wieder zu. Er trat einen kleinen Schritt zurück.
Sie zögerte, als versuchte sie, sich klar zu werden, was er getan hatte, nahm vielleicht zur Kenntnis, dass er sie nicht mehr berührte.
Dann drehte sie sich um, die Hand im Nacken, und konstatierte, was geschehen war. Sie schaute ihn an, und ihr zunächst fragendes Gesicht lief rot an.
»Tut mir leid«, fing er an, »aber ich … ich kann nicht.«
»Oh …« Sie fuhr zusammen. Sie legte die Hand auf den Mund. »Oh, Gott.«
»Nein. Du verstehst das nicht, Jennifer. Es ist nichts, was …«
Sie schob sich an ihm vorbei und schnappte sich ihre Handtasche. Dann, ehe er noch etwas sagen konnte, fummelte sie am Türgriff und rannte den Flur entlang.
»Jennifer!«, schrie er. »Jennifer! Lass es mich doch erklären!« Doch als er an die Tür kam, war sie fort.
Der französische Zug zockelte durch die versengte Landschaft nach Lyon, als wäre er entschlossen, ihm allzu lange Zeit zu gewähren, um über alles nachzudenken, was er falsch verstanden hatte, alles, was er nicht hätte ändern können, selbst wenn er gewollt hätte. Stündlich dachte er ein paar Mal daran, sich einen großen Whisky aus dem Speisewagen kommen zu lassen; er beobachtete die Kellner, die sich geschickt durch den Waggon bewegten und Gläser auf silbernen Tabletts trugen, ein einstudiertes Ballett aus Vorbeugen und Ausschreiten, und wusste, dass er nur einen Finger heben musste, um diesen Trost für sich zu haben. Hinterher wusste er auch nicht, was ihn davon abgehalten hatte.
In der Nacht machte er es sich auf dem Liegesitz bequem, der mit herablassender Effizienz vom Schaffner ausgezogen worden war. Während der Zug weiter durch die Dunkelheit rumpelte, knipste er seine Nachttischlampe an und nahm ein Taschenbuch zur Hand, das er im Hotel gefunden hatte, liegengelassen von einem früheren Reisenden. Er las dieselbe Seite ein paar Mal, nahm nichts auf und warf das Buch schließlich angewidert vor sich. Er hatte eine französische Zeitung, aber der Raum war so beengt, dass er sie nicht richtig aufschlagen konnte, und die Schrift war für das schwache Licht zu klein. Er döste ein, wurde wach, und während England näher rückte, legte sich seine Zukunft wie eine große schwarze Wolke auf ihn.
Endlich, als der Morgen dämmerte, fand er Stift und Papier. Er hatte noch nie einer Frau einen Brief geschrieben, es sei denn kurze Danknotizen an seine Mutter für kleine Geschenke, die sie ihm geschickt hatte, und an Clarissa über finanzielle Angelegenheiten oder seine kurze Entschuldigung an Jennifer nach dem ersten Abend. Jetzt, von einer schmerzlichen Melancholie verzehrt, vom gekränkten Ausdruck in Jennifers Augen verfolgt, befreit durch die Aussicht, sie vielleicht nie wiederzusehen, schrieb er unbedacht in dem einzigen Wunsch, sich zu erklären:
Liebste,
ich konnte dich nicht dazu bringen, mir zuzuhören, als du so eilig fortgegangen bist. Aber du sollst wissen, dass ich dich nicht abgewiesen habe. Du warst so weit von der Wahrheit entfernt, dass ich es kaum ertragen kann.
Und das ist die Wahrheit: du bist nicht die erste verheiratete Frau, mit der ich geschlafen habe. Du kennst meine persönlichen Verhältnisse, und diese Beziehungen haben zu mir gepasst, um ehrlich zu sein. Ich wollte niemandem nahestehen. Als wir uns zum ersten Mal begegneten, war für mich klar, dass du nicht anders sein würdest…
… Aus diesem Grund, meine Liebste, habe ich den verdammten Knopf in deinem Nacken wieder zugemacht. Und deshalb habe ich in den letzten beiden Nächten wach gelegen und mich dafür gehasst, ein Mal im Leben anständig gewesen zu sein.
Verzeih mir,
B
Er faltete den Brief sorgfältig zusammen und steckte ihn in seine Brusttasche. Dann schlief er endlich ein.
Don drückte seine Zigarette aus und
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