Eine Handvoll Worte
den Vorhang ein Stück zurück und beobachtete, wie er auf dem Fahrersitz blieb und mit dem ausgehenden Motor seinen Gedanken nachhing.
Sie warf einen Blick hinter sich auf ihre Koffer und trat vom Fenster zurück.
Er kam herein und ließ seinen Überzieher auf den Stuhl in der Diele fallen. Sie hörte, wie seine Schlüssel in die Schale fielen, die sie dafür auf dem Tisch stehen hatten, und das Scheppern eines umfallenden Gegenstandes. Das Hochzeitsbild? Er zögerte einen Augenblick vor der Wohnzimmertür, machte sie auf und stand vor ihr.
»Ich glaube, ich sollte gehen.« Sein Blick wanderte zu dem gepackten Koffer, den sie benutzt hatte, als sie vor Wochen das Krankenhaus verlassen hatte.
»Du glaubst, du solltest gehen.«
Sie holte tief Luft. Sprach die Worte aus, die sie in den letzten beiden Stunden geprobt hatte. »Wir sind beide nicht glücklich damit. Wir wissen es beide.«
Er ging an ihr vorbei zum Barschrank und goss sich einen dreifachen Whisky ein. Die Art, wie er die Karaffe hielt, warf in ihr die Frage auf, wie viel er wohl getrunken hatte, seit sie nach Hause zurückgekehrt war. Er nahm das Glas mit an einen Stuhl und setzte sich schwerfällig. Er schaute zu ihr auf und hielt ihren Blick einen Moment lang fest. Sie kämpfte gegen den Drang an, herumzuzappeln.
»Also …«, sagte er. »Hast du etwas anderes im Sinn? Etwas, das dich glücklicher machen könnte?« Sein Tonfall war sarkastisch, unerfreulich; der Alkohol hatte etwas in ihm entfesselt. Aber sie hatte keine Angst. Sie hatte die Freiheit zu wissen, dass er nicht ihre Zukunft war.
Sie starrten sich an, Gegner in einer unangenehmen Schlacht.
»Du weißt es, nicht wahr?«, fragte sie.
Er trank einen Schluck Whisky, den Blick unverwandt auf ihr Gesicht gerichtet. »Was weiß ich, Jennifer?«
Sie atmete tief durch. »Dass ich einen anderen liebe. Und dass es nicht Reggie Carpenter ist. Dass er es nie war.« Dabei nestelte sie an ihrer Handtasche. »Das habe ich heute Abend herausgefunden. Reggie war ein Fehler, eine Ablenkung von der Wahrheit. Aber du bist die ganze Zeit so wütend über mich. Seit ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Weil du ebenso gut weißt wie ich, dass ein anderer mich liebt und keine Angst hat, es mir zu sagen. Deshalb sollte ich nicht allzu viele Fragen stellen. Deshalb war meine Mutter – und alle anderen auch – so sehr darauf bedacht, dass ich einfach nach vorn schauen sollte. Du wolltest nicht, dass ich mich erinnere. Von Anfang an nicht.«
Sie rechnete fast damit, dass er vor Wut explodierte. Stattdessen nickte er. Dann prostete er ihr mit erhobenem Glas zu. »Und … dein Liebhaber, wann kommt er?« Er spähte auf seine Armbanduhr, dann auf ihr Gepäck. »Ich nehme an, er holt dich ab.«
»Er …« Sie musste schlucken. »Ich … So ist es nicht.«
»Also triffst du ihn irgendwo.«
Er war so ruhig. Als hätte er beinahe seinen Spaß daran.
»Letzten Endes, ja.«
»Letzten Endes«, wiederholte er. »Wieso die Verzögerung?«
»Ich … ich weiß nicht, wo er ist.«
»Du weißt nicht, wo er ist.« Laurence trank sein Glas leer. Mühsam erhob er sich und schenkte sich noch einen Drink ein.
»Ich kann mich nicht erinnern, und das weißt du. Mir fallen wieder Dinge ein, und ich habe sie noch nicht klar zuordnen können, aber ich weiß, dass das hier«, sie deutete mit einer ausholenden Geste auf den Raum, »sich aus irgendeinem Grund falsch anfühlt. Und zwar deshalb, weil ich einen anderen liebe. Es tut mir also sehr leid, aber ich muss gehen. Das ist das Richtige. Für uns beide.«
Er nickte. »Darf ich fragen, was dieser Herr – dein Liebhaber – hat, was ich nicht habe?«
Die Straßenlaterne vor dem Fenster blakte.
»Das weiß ich nicht«, gab sie zu. »Ich weiß nur, dass ich ihn liebe. Und dass er mich liebt.«
»Ach ja, tatsächlich? Und was weißt du noch? Wo er wohnt? Wie er sein Geld verdient? Wie er dich unterhalten soll, mit deinem ausgefallenen Geschmack? Wird er dir neue Kleider kaufen? Dir eine Haushälterin ermöglichen? Schmuck?«
»Das alles ist mir nicht wichtig.«
»Das war dir aber immer wichtig.«
»Ich bin jetzt anders. Ich weiß einfach, dass er mich liebt, und nur das spielt eine Rolle. Du kannst mich verspotten, wie du willst, Laurence, aber du weißt nicht …«
Er sprang auf, und sie wich zurück. »Oh, ich weiß alles über deinen Liebhaber, Jenny«, bellte er. Laurence zog einen zerknitterten Umschlag aus seiner Innentasche und fuchtelte damit vor ihrem
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