Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
Vom Netzwerk:
Stimme ihrer Mutter, sah ihr entsetztes Gesicht, wenn sie die Nachricht über die Blamage der Familie erfahren würde, das entzückte, schockierte Wispern in der Kirche. Sie sah das Leben, das sie geplant hatte, die Kinder, die Laurences Kälte bestimmt aufweichen und ihn zwingen würden, ein wenig nachzugeben. Sie sah eine Reihe winziger, gemieteter Räume, Anthony den ganzen Tag fort bei der Arbeit, sie selbst ohne ihn ängstlich in einem fremden Land. Sie sah, wie er sie in ihrer trostlosen Kleidung leid war, den Blick bereits auf andere verheiratete Frauen gerichtet.
    Ich werde nie aufhören, dich zu lieben. Ich habe nie jemanden vor dir geliebt, und nach dir wird es auch niemanden geben.
    Als sie sich aufrichtete, stand Mrs Cordoza am Bett.
    Jennifer wischte sich die Augen ab, putzte sich die Nase und wollte sich schon entschuldigen, sie so angefahren zu haben, als sie sah, dass die ältere Frau ihren Koffer packte.
    »Ich habe Ihre flachen Schuhe und die braune Hose eingepackt. Die muss nicht so oft gewaschen werden.«
    Jennifer starrte sie an, nach Luft ringend.
    »Hier sind Unterwäsche und ein Nachthemd.«
    »Ich … ich will nicht …«
    Mrs Cordoza packte weiter. Sie holte Sachen aus dem Koffer, wickelte sie neu mit Seidenpapier ein und legte sie wieder mit derselben ehrfürchtigen Sorgfalt zurück, die man einem Neugeborenen zukommen lassen würde. Jennifer war wie hypnotisiert von diesen Händen, die glätteten und zurücklegten.
    »Mrs Stirling«, sagte Mrs Cordoza, ohne aufzublicken, »ich habe Ihnen das nie gesagt. In Südafrika, wo ich gelebt habe, war es üblich, das Fenster mit Asche zu bedecken, wenn ein Mann starb. Als mein Mann starb, habe ich die Fenster sauber gelassen. Ich habe sie sogar geputzt, damit sie glänzten.«
    Als sie sicher war, dass sie Jennifers Aufmerksamkeit hatte, packte sie weiter. Jetzt Schuhe, Sohle an Sohle in einen dünnen Baumwollbeutel, ordentlich unten hineingelegt, ein Paar weiße Tennisschuhe, eine Haarbürste.
    »Ich habe meinen Mann durchaus geliebt, als wir jung waren, aber er war kein netter Mann. Als wir älter wurden, hat es ihm immer weniger ausgemacht, wie er mich behandelte. Als er plötzlich starb, der Herr möge mir vergeben, hatte ich das Gefühl, als hätte mich jemand befreit.« Sie zögerte und warf einen Blick in den halb gepackten Koffer. »Hätte mir jemand vor vielen Jahren die Möglichkeit gegeben, wäre ich fortgegangen. Ich glaube, ich hätte die Chance gehabt, ein anderes Leben zu führen.«
    Sie legte die letzten gefalteten Kleidungsstücke obenauf, klappte den Deckel herunter und verschloss die Schnallen zu beiden Seiten des Griffes.
    »Es ist halb sieben. Mr Stirling hat gesagt, er werde gegen Viertel vor sieben hier sein, nur falls Sie es vergessen haben.« Ohne ein weiteres Wort richtete sie sich auf und verließ das Zimmer.
    Jennifer schaute prüfend auf ihre Armbanduhr und tat ihre restliche Kleidung mit einem Schulterzucken ab. Sie lief durch den Raum und schlüpfte in das nächstbeste Paar Schuhe. Sie ging an ihre Frisierkommode und kramte hinten in einer Schublade nach dem Notgroschen für Einkäufe, den sie immer zusammengerollt in ein Strumpfpaar gewickelt hatte, und steckte die Banknoten in ihre Tasche sowie eine Handvoll Ringe und Ketten aus ihrer Schmuckschatulle. Dann nahm sie ihren Koffer.
    Mrs Cordoza hielt ihr den Regenmantel hin. »In der New Cavendish Street haben Sie die größte Chance, ein Taxi zu bekommen. Ich würde Portland Place vorschlagen, aber ich glaube, die Strecke nimmt Mr Stirlings Fahrer.«
    »New Cavendish Street.«
    Keine der beiden Frauen rührte sich, womöglich verblüfft darüber, was sie getan hatten. Dann trat Jennifer vor und umarmte Mrs Cordoza impulsiv. »Vielen Dank. Ich …«
    »Ich werde Mr Stirling informieren, dass Sie meines Wissens nach auf einer Einkaufstour sind.«
    »Ja. Ja, danke.«
    Sie stand draußen in der Nachtluft, die ihr mit einem Mal verheißungsvoll schien. Vorsichtig ging sie die Stufen hinunter, suchte das Karree nach dem vertrauten gelben Licht eines Taxis ab. Als sie den Bürgersteig erreichte, begab sie sich im Laufschritt in die Dämmerung der Stadt.
    Eine überwältigende Erleichterung überkam Jennifer – sie musste nicht mehr Mrs Stirling sein, ihr wurde nicht mehr vorgeschrieben, wie sie sich zu kleiden und zu benehmen, wie sie zu lieben hatte. Ihr wurde ganz leicht im Kopf, als ihr klar wurde, dass sie keine Ahnung hatte, wer oder wo sie in einem Jahr sein mochte,

Weitere Kostenlose Bücher