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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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griff nach seiner Aktentasche. »Du bist seit einigen Tagen morgens in Streitlaune. Ich hoffe, du kannst dich heute Abend etwas mäßigen. Wenn die Zeitungslektüre das mit dir anrichtet, sollte ich sie direkt ins Büro bringen lassen.«
    Sie erhob sich nicht von ihrem Stuhl, um ihn nicht wie sonst auf die Wange zu küssen. Sie biss sich auf die Lippe und schaute in die Zeitung, bis das Geräusch der sich schließenden Haustür ihr sagte, dass ihr Mann ins Büro gegangen war.
    Seit drei Tagen hatte sie kaum geschlafen oder gegessen. In den meisten Nächten lag sie jetzt in den frühen Morgenstunden wach und wartete darauf, dass etwas Biblisches aus der Dunkelheit über ihrem Kopf fiel. Die ganze Zeit war sie im Stillen wütend auf Laurence; sie sah ihn plötzlich mit Anthonys Augen und stellte fest, dass sie seiner vernichtenden Beurteilung beipflichtete. Dann hasste sie Anthony, weil er dafür gesorgt hatte, dass sie so über ihren Mann dachte, und war noch wütender, da sie es ihm nicht sagen konnte. Nachts erinnerte sie sich an Anthonys Hände auf ihr, an seinen Mund, sah sich selbst etwas mit ihm tun, was ihr im Licht des Morgens die Röte ins Gesicht trieb. Bei einer Gelegenheit, als sie ihre Verwirrung unbedingt unterdrücken und sich wieder mit ihrem Mann verbinden wollte, weckte sie ihn, schlang ein bleiches Bein über ihn und küsste ihn wach. Er aber war entsetzt gewesen, hatte sie gefragt, was um alles in der Welt in sie gefahren sei, und sie sogar von sich gestoßen. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und es ihr überlassen, stille Tränen der Demütigung in ihr Kissen zu weinen.
    In jenen schlaflosen Stunden wälzte sie neben dem giftigen Flächenbrand aus Verlangen und Schuldgefühlen ihre endlosen Möglichkeiten hin und her: Sie konnte gehen, die Schuld, den Geldverlust und den Zorn ihrer Familie irgendwie überleben. Sie könnte eine Affäre haben, eine Ebene finden, auf der sie und Anthony existieren könnten, parallel zu ihrem normalen Leben. Das hatte bestimmt nicht nur Lady Chatterley getan. In ihren gesellschaftlichen Kreisen gab es reichlich Geschichten darüber, wer wen hatte. Sie könnte es abbrechen und eine gute Ehefrau sein. Wenn ihre Ehe nicht funktionierte, dann war es ihre Schuld, weil sie sich nicht genug Mühe gegeben hatte. Und man konnte so etwas umdrehen: Alle Frauenmagazine sagten das. Sie könnte etwas freundlicher sein, ein wenig liebevoller, sich noch schöner präsentieren. Sie könnte aufhören, wie ihre Mutter es ausdrücken würde, nach den Kirschen in Nachbars Garten zu schielen.
    Sie hatte den Anfang der Schlange erreicht. »Geht das noch mit der Nachmittagspost weg? Und könnten Sie in meinem Postfach nachsehen? Stirling, Nummer dreizehn.«
    Seit dem Abend bei Alberto’s war sie nicht mehr hier gewesen, da sie sich eingeredet hatte, es sei am besten so. Die Sache – sie wagte nicht, daran als eine Affäre zu denken – war heißgelaufen. Sie mussten es ein wenig abkühlen lassen, damit sie klarer denken konnten. Doch nach ihrem unangenehmen Wortwechsel mit ihrem Mann am Morgen war ihre Entschlossenheit eingebrochen. Sie hatte den Brief an ihrem kleinen Schreibtisch im Wohnzimmer in Eile geschrieben, während Mrs Cordoza gesaugt hatte. Sie hatte Anthony angefleht, zu verstehen. Sie wusste nicht, was sie machen sollte: Sie wollte ihn nicht verletzen … aber sie konnte nicht ertragen, ohne ihn zu sein:
    * * *
    Ich bin verheiratet. Wenn ein Mann aus seiner Ehe verschwindet, ist das eine Sache, aber für eine Frau? Im Moment kann ich in deinen Augen nichts Falsches tun. Du siehst in allem, was ich mache, nur das Beste. Ich weiß, es wird der Tag kommen, an dem sich das verändert. Ich möchte nicht, dass du in mir all das siehst, was du an allen anderen verachtest.
    Es war verwirrt, durcheinander, ihre Schrift krakelig.
    Die Postbeamtin nahm den Brief entgegen und kam mit einem anderen zurück.
    Ihr Herz flatterte noch immer, wenn sie seine Handschrift sah. Seine Wörter waren so schön aneinandergereiht, dass sie im Dunkeln ganze Passagen rezitieren konnte, wie Poesie. Sie machte den Brief ungeduldig auf, noch am Schalter, und trat ein Stück zur Seite, um dem Nächsten in der Schlange Platz zu machen. Diesmal jedoch waren die Wörter ein wenig anders.
    Falls überhaupt jemand die absolute Reglosigkeit der blonden Frau im blauen Mantel bemerkte, wie sie eine Hand ausstreckte, um sich am Schalter festzuhalten, als sie den Brief zu Ende gelesen hatte, war er zu sehr mit

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