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Eine Handvoll Worte

Titel: Eine Handvoll Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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eigenen Paketen und Formularen beschäftigt, um genau hinzusehen. Doch die Veränderung in ihrem Verhalten war verblüffend. Sie blieb noch eine Weile stehen, bevor sie den Brief mit zitternder Hand in ihre Handtasche steckte und dann langsam, ein wenig unsicher, hinaus in den Sonnenschein trat.
    Den ganzen Nachmittag ging sie durch die Straßen Londons, patrouillierte mit einer dumpfen Eindringlichkeit an den Schaufenstern vorbei. Unfähig, nach Hause zurückzukehren, wartete sie darauf, dass ihre Gedanken im Gedränge auf den Bürgersteigen klarer wurden. Stunden später, als sie zur Haustür hereinkam, war Mrs Cordoza in der Diele, zwei Kleider über dem Arm.
    »Sie haben mir nicht gesagt, welches sie zum Dinner heute Abend anziehen wollen, Mrs Stirling. Ich habe die beiden gebügelt, falls Sie eins davon für passend halten.« Die Sonne durchflutete die Diele mit dem pfirsichfarbenen Licht des Spätsommers, während Jennifer im Türrahmen stand. Die graue Düsternis kehrte wieder ein, als sie die Tür hinter sich schloss.
    »Vielen Dank.« Sie ging an der Haushälterin vorbei in die Küche. Die Uhr zeigte kurz vor fünf an. Packte er gerade?
    Jennifers Hand schloss sich um den Brief in ihrer Tasche. Sie hatte ihn drei Mal gelesen. Sie prüfte das Datum: Er meinte tatsächlich heute Abend. Wie konnte er so etwas derart schnell entscheiden? Wieso konnte er es überhaupt tun? Sie verfluchte sich, den Brief nicht früher abgeholt und sich damit der Zeit beraubt zu haben, in der sie ihn hätte anflehen können, es sich noch einmal zu überlegen.
    Ich bin nicht so stark wie du. Als ich dir zum ersten Mal begegnete, hielt ich dich für ein zerbrechliches kleines Ding, für jemanden, den ich beschützen musste. Jetzt ist mir klar, dass ich mich getäuscht habe. Du bist die Starke, die ein Leben mit dieser Liebe ertragen kann, die wir niemals ausleben dürfen.
    Ich bitte dich, mich nicht wegen meiner Schwäche zu verurteilen. Ich kann das alles nur aushalten an einem Ort, an dem ich dich nie sehen werden, nie von der Möglichkeit gequält werde, dich mit ihm zu sehen. Ich muss irgendwo sein, wo schiere Notwendigkeit dich in jeder Minute, jeder Stunde aus meinen Gedanken vertreibt. Das kann hier nicht sein.
    Sie war wütend auf ihn, weil er sie zum Handeln zwang. Im nächsten Moment packte sie schreckliche Angst, dass er weggehen würde. Wie wäre es für sie, wenn sie wüsste, dass sie ihn nie wiedersehen würde? Wie konnte sie in diesem Leben bleiben, nachdem sie einen flüchtigen Blick auf die Alternative erhascht hatte, die er ihr gezeigt hatte?
    Ich werde die Stelle annehmen. Ich werde am Freitagabend um 7.15h am Bahnhof Paddington sein, Gleis 4, und nichts auf der Welt würde mich glücklicher machen, als wenn du den Mut fändest, mit mir zu gehen.
    Wenn du nicht kommst, werde ich wissen, dass das, was immer wir füreinander empfinden, nicht ganz reicht. Ich will dir keinen Vorwurf machen, Liebling. Ich weiß, die letzten Wochen haben dich unerträglich unter Druck gesetzt, und ich spüre dieses Gewicht deutlich. Ich verabscheue den Gedanken, ich könnte dir Unglück bringen.
    Sie war zu ehrlich zu ihm gewesen. Sie hätte ihm die Verwirrung, die quälenden Nächte nicht eingestehen dürfen. Hätte er nicht gewusst, wie aufgewühlt sie war, hätte er es nicht für nötig befunden, so zu handeln.
    Du sollst wissen, dass du mein Herz, meine Hoffnungen in deinen Händen hältst.
    Und dann das: seine ungeheure Zärtlichkeit. Anthony, der den Gedanken nicht ertragen konnte, sie herabzusetzen, der sie vor ihren schlimmsten Gefühlen bewahren wollte, hatte ihr die beiden leichtesten Auswege geschenkt: mit ihm zu gehen oder schuldlos zu bleiben, wo sie war, und zu wissen, dass sie geliebt wurde. Was hätte er sonst noch tun können?
    Wie sollte sie in derart kurzer Zeit eine so weitreichende Entscheidung treffen? Sie hatte sich überlegt, zu ihm zu fahren, war sich aber nicht sicher, ob er da sein würde. Sie hatte daran gedacht, zur Zeitung zu gehen, aber sie hatte Angst, ein Klatschkolumnist würde es mitbekommen und sie würde Neugier auf sich ziehen, oder noch schlimmer, ihn in Verlegenheit bringen. Im Übrigen, was könnte sie sagen, um ihn umzustimmen? Alles, was er gesagt hatte, war richtig. Es gab kein anderes Ende. Keine Möglichkeit, es wieder in Ordnung zu bringen.
    »Oh, und Mr Stirling hat angerufen, um zu sagen, dass er sie gegen Viertel vor sieben abholt. Es wird ein bisschen später im Büro. Er hat seinen

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