Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
könne seine adelige Abstammung verbergen, ist es seine Haltung, die ihn verrät. Was kann man auch von einem Mann erwarten, der in eine Familie wie die seinige hineingeboren wurde?«
»Ich wurde auch in so eine Familie hineingeboren«, erwiderte Antonia verbittert. »Das ist keine Garantie dafür, stets glücklich und privilegiert zu sein. Es hat uns jedenfalls keinen Deut geholfen, als die Franzosen unser Zuhause überrannten und jeden abschlachteten, den sie finden konnten. Halt mir bloß keine Vorträge über Stand und Reichtum. Das kann einem im Bruchteil eines Augenblicks alles genommen werden.«
Sie erinnerte ihn an einen verwundeten Vogel. In Antonias Fall war es zwar kein hübscher Singvogel, sondern eher ein Raubvogel, dennoch … Sie war zornig, gefährlich und spannte ihre Flügel, während sie verzweifelt versuchte, sich wieder in den Himmel zu schwingen, obwohl ihr die Flügel gestutzt worden waren.
Er wünschte sich so sehr, derjenige zu sein, der ihr endlich die Freiheit schenkte.
Die Idee, sich in das Leben der Marchioness of Longhaven einzumischen, rührte weniger daher, dass sie die andere Frau beschützen wollte, sondern entsprang dem Wunsch, alles nur erdenklich Mögliche über diese Frau zu erfahren, die jetzt das Leben mit dem Mann teilte, von dem Antonia glaubte, dass sie ihn liebte. Lawrence wusste das, weil er sie kannte. Sie wollte ihre Kontrahentin einschätzen können und wusste doch nicht, dass sie diesen Kampf bereits verloren hatte.
Es würde auch nicht helfen, wenn er sich mit ihr stritt und ihr diese kalte, untrügliche Wahrheit vorwarf. Sie musste selbst zu diesem Ergebnis kommen und die Wahrheit akzeptieren.
»Ich habe dir keine Vorwürfe gemacht«, erwiderte Lawrence. »Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, und du bist ohnehin zu starrsinnig, um mir zuzuhören. Warum sollte ich also meine Zeit verschwenden? Aber eine andere Frage: Wieso glaubst du, Longhaven habe sich nicht längst um den Schutz seiner Frau gekümmert?«
»Das hat er vermutlich schon. Fitzhugh ist in dieser Hinsicht äußerst fähig und ein gefährlicher Mann, wenn man ihn zum Feind hat. Aber er kann sie nicht zu den Abendgesellschaften begleiten, zu denen ich Zutritt habe.« Antonia machte eine wegwerfende Handbewegung. »Roget ist nicht annähernd so klug wie Michael, aber er ist auf jeden Fall skrupelloser. Sie kann vermutlich gar nicht genug Beschützer haben.«
Das stimmte vielleicht sogar, wenn es denn Roget war, der hinter den Angriffen auf den Marquess steckte. Wenn es überhaupt eine Bedrohung seitens Rogets gab. Longhaven befehligte eine Einheit des Geheimdiensts für König George, und deshalb war er ein wichtiger Mann. Zweifellos so wichtig, dass seine Feinde ihn tot sehen wollten. Aber er war hier in London weit weniger verletzlich als damals in Spanien. Auf heimatlichem Boden war Michael Hepburn noch mächtiger als sonst. Er konnte sich sehr wohl selbst um die Sicherheit seiner Frau kümmern.
»Da du ja wild entschlossen bist, dich auf jeden Fall um ihren Schutz zu kümmern, werde ich mich hüten, dir zu widersprechen. Obwohl ich durchaus Einwände machen muss, was Rogets Intelligenz betrifft. Bisher hat der sonst so kompetente Longhaven es nicht vermocht, ihn zu finden, obwohl er sein Bestes gegeben hat. Aber was hast du nun in Bezug auf die Marchioness vor?«
»Heute Abend werde ich mit meiner Aufgabe beginnen. Die Redmonds haben zu einem Ball geladen. Bestimmt wird sie auch dort sein.«
»Er vermutlich auch«, erinnerte Lawrence sie mit unbeirrbarer Sachlichkeit. »Was glaubst du, wie wird Longhaven reagieren, wenn du seine Braut umgarnst, obschon er dich nicht aufgefordert hat, etwas Derartiges zu tun?«
»Ich weiß nicht«, schnurrte sie. »Aber wir werden es wohl herausfinden müssen, nicht wahr?«
Ein Teil von ihm war wirklich amüsiert. Armer Longhaven! Wenn Antonia sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie unnachgiebig. Wie schon bei ihrer Suche nach dem berüchtigten Spion Roget, den sie mit einer Heftigkeit hasste, die tiefer ging als der tiefste Ozean. Wenn er, der jetzt bei ihr saß, wenigstens ebenso heftige Gefühle in ihr wecken könnte …
»Das ist aber nicht der richtige Weg, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, meine Liebe«, erklärte er ihr. »Der Marquess wünscht, dass du seine Befehle ausführst und nicht, dass du dich in sein Leben einmischst.«
Antonia starrte ihn an, die dunklen Augen verdächtig strahlend. Unter dem Mieder ihres Kleids bebten ihre
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