Eine Hexe mit Geschmack
Kopie brach ihren Besen durch und zerbrach das Abbild in
kris-tallene Splitter.
Die letzten beiden, Wysts und
meines, mussten sich gegenseitig zerstören. Probeweise setzte Wyst sein Schwert
an meinen Bauch.
Ich wandte mich an mein Abbild.
»Es tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Dafür wurde
ich ja gemacht, und obwohl meine Existenz kurz war, kannte ich zumindest seinen
Sinn.«
Wyst trieb seine Klinge im selben
Moment durch meinen Unterleib, in dem ich ihn hart auf die Wange schlug. Der
Kopf seines Doppelgängers fiel ab. Der enthauptete Körper fiel um, aus dem Hals
floss eine faulige, weiße, eitrige Flüssigkeit. Mein Abbild löste sich mit
einem breiten, unhexenhaften Grinsen ins Nichts auf.
»Ich verstehe immer noch nicht,
warum das anders war, als sie zu töten«, sagte Molch.
»Du musst es nicht verstehen.
Wärest du bitte so gut, Wyst?«
Er zog sein Schwert aus meinem
Bauch. Einen Fuß höher und ein klein wenig weiter rechts, und er hätte mein
Herz durchbohrt. Aber das Loch in meinem Bauch, auch wenn es mir durch den Mann
beigebracht wurde, den ich liebte, schmerzte mein untotes Fleisch nur wenig.
Wyst wackelte mit seinem Kiefer.
Er hatte gewusst, dass mein Schlag kommen würde, und ich nehme an, das machte
ihn ehrenhaft. Ehrenhaft genug jedenfalls, um eine kleine Verfärbung auf seiner
Wange zu hinterlassen.
»Du blutest«, sagte er.
»Das ist gar nichts.« Die Wunde
würde sich von selbst schließen, aber ich konnte sehen, dass ihn der Anblick
peinigte. Also presste ich meine Hand auf das Loch und sengte es zu. Er fühlte
sich besser, und ich genoss den Gestank verbrannten Fleisches.
Sein verzaubertes Schwert wies
Trübungen ab, aber ein paar Kleckse dunkler, zäher Flüssigkeit waren
zurückgeblieben. »Darf ich?« Ich wischte die Klinge mit dem weiten Saum meines
Rocks ab. Das Kleidungsstück war bereits mit mysteriösen Flecken übersät, aber
ich frischte sie auf, wann immer ich konnte. Es verschaffte mir eine
Entschuldigung dafür, Wyst wieder näher zu kommen. Er wich mir nicht aus.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht zu
hart getroffen.«
Er rieb seinen Bluterguss und
lächelte. Es war ein offenes, ehrliches Lächeln. Das erste echte Grinsen, das
ich in seinem Gesicht sah. Ich riss mich von seinem Blick los und sah auf die
Klinge. Sie war sauber, und ich polierte den glänzenden Stahl.
»Danke.« Er schob das Schwert
wieder zurück in die Scheide.
Ich strich mit der Rückseite
meiner Finger über seinen Bluterguss. Dann beugte er sich vor und zierte meine
Wange mit einem sanften Kuss. Ich hatte es nicht erwartet, aber ich war Hexe
genug, um meine Überraschung zu verbergen.
»Wofür war das?«
»Fürs Rechthaben.«
Er drückte meine Hand, und für
einen Augenblick waren wir nicht mehr Hexe und Ritter. Die Hürden zwischen uns
- mein Fluch, seine Keuschheit - waren beinahe vergessen.
»Mein guter Ritter, vielleicht
bist du doch nicht ganz so wahnsinnig.« Unsere zerstörten Abbilder waren nun
fort und wurden durch eine rote Wolke in Gestalt des Seelenlosen Gustav
ersetzt.
Wyst ließ meine Hand los und zog
sein Schwert.
»Oh, wir wollen uns doch nicht
schon wieder damit herumschlagen«, sagte der Seelenlose Gustav.
Wyst aus dem Westen hieb sein
Schwert ergebnislos in die Wolke. Er schien nicht überrascht, war aber zu sehr
weißer Ritter, um es nicht zu versuchen. Er steckte sein Schwert weg und trat
beiseite.
Der Seelenlose Gustav waberte vor
mich hin. »Das war sehr gut. Meine Abbilder besiegen und einen weißen Ritter
korrumpieren. Du machst allen Hexen überall auf der Welt Ehre.«
»Ich kann nicht die ganze Ehre für
mich beanspruchen. Ich hatte eine gute Lehrerin.«
»Ich sehe jetzt, dass ich mich
selbst um dich kümmern muss.« Er winkte. Das Gras teilte sich. »Folge diesem
Weg, und du wirst eine Hütte finden, wo du die Nacht verbringen kannst. Genieße
sie mit meinen Empfehlungen. Denn morgen werde ich deinem mühseligen,
fluchbelegten Leben ein Ende machen.«
»Vielen Dank für deine
Gastfreundschaft.«
»Todfeinde müssen nicht unbedingt
unhöflich sein. Höflichkeit unterscheidet uns von den Tieren.« Er schoss in den
Himmel und verschwand.
»Das war beleidigend«, sagte
Molch.
»Du bist kein richtiges Tier«,
kommentierte Gwurm.
»Ich bin Tier genug.«
»Vielleicht, aber du bist selbst
auch nicht allzu höflich.«
Molch hätte beinahe etwas Grobes
gesagt, überlegte es sich aber anders. Ich fragte mich, wie lange diese neuen
Manieren anhalten
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