Eine Hexe mit Geschmack
würden.
»Dich hat sowieso keiner gefragt,
du großer, ekelhafter Trampel.«
Länger, als ich erwartet hatte.
SECHSUNDZWANZIG
Die Hütte des Seelenlosen Gustav
war eher ein zweistöckiger Holzpalast, einfach gebaut, aber dennoch
beeindruckend. Es war beinahe Abend, bis wir sie erreichten. Dies war
allerdings nur eine Vermutung. Ich habe schon in der realen Welt Probleme mit
dem Zeitgefühl, erst recht aber an einem Ort, wo Tag und Nacht nach Laune eines
Zauberers aufeinander folgten. Sanftes Licht fiel durch die Fenster der Hütte
nach draußen. Die große, halbmondförmige Scheibe über der Tür funkelte in allen
Farben des Regenbogens.
»Ich bin dafür, dass wir
weitergehen«, sagte Molch. »Warum sollten wir dem Zauberer mehr Zeit zur
Vorbereitung geben?«
Ich lachte, und mir fiel auf, wie
viel häufiger ich dies in letzter Zeit tat. Daran war nichts Falsches. Ein
Lachen kann sehr hexenhaft sein, wenn es leise und kehlig ist. »Diese Suche
wird nicht durch ein paar vergehende Stunden entschieden, und ich bezweifle,
dass der Seelenlose Gustav irgendetwas vorbereitet.«
»Was, wenn es ein Trick ist?«
»Das ist es nicht.«
Dies beruhigte seinen argwöhnischen
Geist jedoch nicht. »Woher weißt du, dass es kein Trick ist?«
Ich hätte ihm erklären können,
dass mir meine Vision alles sagte, was ich wissen musste. Vier Prüfungen
machten unsere Suche aus. Die Chimären waren eine Prüfung durch Kampf gewesen.
Meine Schicksalsgeister eine Prüfung der eigenen Stärke. Die Prüfung durch
Wagnis war durch unsere Abbilder erfolgt. Die Prüfung durch Magie war die
einzige Prüfung, die noch fehlte, und dies konnte auf nichts anderes als auf
das finale Duell zwischen dem Seelenlosen Gustav und mir hinauslaufen. Ich
hätte es Molch sagen können. Aber ich tat es nicht.
Die Hüttentür öffnete sich, als
wir näher kamen. Ein narbengesichtiger Mann trat auf die Schwelle. Ich erkannte
ihn als einen der Männer, die die Grausige Edna getötet hatten, oder besser
gesagt: eine Illusion in derselben Form. Dieser wirkte sauber und unbewaffnet.
Das machte es leichter für Molch, den Kopf des Mannes mit einem einzigen
Schwung seiner rasiermesserscharfen Flügel abzutrennen. Der Leichnam fiel vornüber
und verbrutzelte.
Ein neuer Diener, der dem letzten
vollkommen glich, trat in die Türöffnung. Molch machte eine Bewegung, um diesen
ebenfalls zu töten, aber ich hielt ihn mit einem Räuspern auf.
»Ich stehe euch zu Diensten.« Das
Phantom sprach sehr deutlich. Zu deutlich. Die Worte klangen, als seien sie aus
anderen Sätzen geschnitten und wieder zusammengefügt worden. »Eine warme
Mahlzeit erwartet euch alle im Speisezimmer.« Er trat durch die Tür nach
draußen, um uns einzulassen. »Und direkt um die Ecke befindet sich ein
vorzüglicher Pferdestall, guter Herr Ritter. Soll ich dir das Pferd abnehmen?«
Wyst weigerte sich, die Zügel aus
der Hand zu geben.
»Sehr gerne, mein Herr. Erlaube
mir, dich zum Stall zu begleiten, damit du seine Qualität prüfen kannst.«
Wyst fragte mit Blicken nach
meinem Einverständnis. Anders als Molch vertraute er meinem Urteil. Es war eine
große Ehre. Das treue Ross eines weißen Ritters war neben seiner Tugend sein
wertvollster Besitz.
Ich lächelte und nickte.
Er nickte zurück und tätschelte
den Hals seines Pferdes. »Ich werde ihn selbst finden.« Er verschwand um die
Ecke.
»Ich sage dir«, erklärte Molch,
»sobald wir eintreten, wird das Haus zum Kopf einer Riesenschlange und
verschlingt uns alle.«
»Ich hatte an etwas Subtileres
gedacht«, sagte Gwurm. »Wie etwa, dass es schrumpft, bis wir alle zu Brei
zerquetscht sind.«
»Dann bist du also meiner
Meinung.«
»Vielleicht, wenn ich nicht so
hungrig wäre.« Er war der Erste, der über die Schwelle trat. »Rieche ich hier
gebratenes Wildschwein?«
»Frisch vom Bratspieß, mein Herr«,
intonierte der Diener. »Ich hoffe, du magst es zart. Das Fleisch fällt
praktisch vom Knochen.«
Ich folgte und fing den Geruch
einer verlockenden Auswahl an rohem Fleisch auf. »Kommst du, Molch? Oder willst
du lieber mit Penelope draußen bleiben?«
Mein Besen hatte es auf der Stelle
übernommen, die Veranda nach jeglichem anstößigen Fleck und Stäubchen zu
durchkämmen, die zweifellos durch die aufmerksame Zauberei des Seelenlosen
Gustav für sie hinterlassen worden waren. Selbst für ein Putzgerät konnte sie
schrecklich zwanghaft sein, wenn es um Staub ging. Sie fegte an Molch vorbei
und hopste auf ihn zu, um
Weitere Kostenlose Bücher