Eine Hexe mit Geschmack
Fort von ihm erschien mir
falsch. Zu ihm hin erschien mir auch falsch.
»Ja?« Mein rauer Hals ließ meine
Stimme krächzen, sehr hexenhaft und vollkommen unbeabsichtigt. Ich blieb mit
dem Rücken zu ihm stehen.
»Ich wollte dir nur danken.« Ich
meinte, einen nervösen Unterton in seinen Worten zu hören, doch ich war ja
keine Kennerin menschlichen Verhaltens.
Ich drehte meinen Kopf weit genug,
um aus dem Augenwinkel einen Blick auf seine verschwommene Silhouette werfen zu
können.
Er räusperte sich. »Die Menschen
hier können sich glücklich schätzen, dich zu haben.«
Ich antwortete nicht.
»Du hast ihnen eine Chance
gegeben.«
»Sie hatten immer eine Chance«,
sagte ich. »Mein Beitrag verringert lediglich die Wahrscheinlichkeit eines
Massakers. Der Sieg wird dennoch schwer zu erringen sein. Männer werden
sterben, und wahrscheinlich werden sie umsonst sterben.«
Sein Tonfall wurde düster. »Ja.
Ich weiß.«
Hexen betrachten den Tod selbst
nicht als gut oder schlecht. Wie jede Naturgewalt kann er beides und nichts
davon sein. Aber diese Menschen standen unter meiner Obhut, und ich hatte nicht
den Wunsch, sie ihr Leben als Mahlzeit für eine Horde Geister wegwerfen zu
sehen.
Wyst aus dem Westen sagte nichts.
Er wandte sich um und ging weg. Ich tat dasselbe, wobei ich mir etwas Stolz
zugestand, da ich eine hexenhafte Haltung bewahrt hatte.
Molch kicherte. Er wollte, dass
ich ihn fragte, was er so amüsant finde, aber daran war ich nicht interessiert.
Das hielt ihn jedoch nicht ab. Er gluckste und wieherte den ganzen Weg zurück
zum Zelt, und als ich ihn nicht einmal fragte, warum, tat er seine Meinung
schließlich ungebeten kund.
»Du solltest ihn einfach ins Bett
zerren und fressen, um es hinter dich zu bringen. Es wird sowieso früher oder
später passieren. Wenn du es aufschiebst, wird es dich nur ablenken.«
Ich wollte diese Diskussion nicht
führen. Es war nicht so, als lehnte ich seine Meinung ab. Es war nur etwas, das
ich nicht hören wollte.
»Es ist mehr als Verliebtheit«,
fuhr er fort. »Ich sage nicht, dass keine normalen Reize beteiligt sind, aber
ich glaube, hier geht es um mehr. Fische schwimmen. Tiger jagen. Goblings
fressen. Du verführst. Es liegt in deiner Natur. Dafür wurdest du geschaffen.«
Ich starrte geradeaus und sagte
nichts dazu. »Ich könnte mir vorstellen, dass du sehr gut darin bist. Sexuelle
Beziehungen, meine ich. Und dieser weiße Ritter kann nicht viel Erfahrung
haben. Deine Leidenschaft allein würde ihn vermutlich umbringen. Dann könntest
du ihn auffressen, und uns allen würden diese peinlichen Szenen in Zukunft
erspart bleiben. Ganz zu schweigen von deinem Magenknurren.«
Es stimmte, in der Gegenwart von
Wyst aus dem Westen knurrte mein Magen tatsächlich leicht. Ich hatte gehofft,
dass es niemand bemerkte. Ich eilte, so schnell es mein falsches Hinken
erlaubte, zu meinem Zelt, um etwas zu essen zu bekommen.
Molch hielt seinen Schnabel den
Rest des Abends über geschlossen. Er saß nur in der Ecke und kicherte
aufreizend. Ich hätte ihn gescholten, aber ich war zu beschäftigt damit, meinen
Appetit zu stillen. Ich verschlang drei Kaninchen und zwei Fasane am Stück.
Fell, Federn, Knochen, Innereien, alles. Ich aß, bis ich nicht mehr konnte, bis
ich das Gefühl hatte, ein weiterer Bissen würde mich platzen lassen. Mein
Hunger blieb jedoch, und alles Fasanen-und Kaninchenfleisch dieser Welt würde
meinen Appetit nicht befriedigen. Einzig Wyst aus dem Westen konnte das.
Dies war mehr als ein verliebtes
Herz, sogar mehr als ein lustvolles Begehren. Es war mein Fluch. Ich war nicht
für Keuschheit gemacht. Meine Instinkte hatten Wyst als meine Beute gewählt,
aber wenn wir uns nie begegnet wären, hätten sie eben einen anderen ausgesucht.
Ich konnte die Versuchung nur durch absolute Einsamkeit umgehen, aber ich hatte
sozusagen Geschmack an Menschen gefunden. Gern hätte ich geglaubt, dass ich ein
Dorf von Aussätzigen oder Ogern oder aussätzigen Ogern fin-den konnte, unter
denen ich leben mochte, aber irgendwann würde sich dasselbe Dilemma ergeben. Ob
es nun Menschen, Oger, Gnome, Kobolde oder sonstige Wesen waren, ich würde ein
Ziel finden, das ich verführen und verzehren wollte. Es war meine Natur.
Und plötzlich kam mir die elende
Dunkelheit tatsächlich wie ein einladender Ort vor.
ELF
Ich wollte mir nicht die Mühe
machen, alle Schwerter des Forts zu verzaubern, wenn wir das Glück haben
sollten, zehn Männer mit dem richtigen Wesen zu
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