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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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in
sein Bettchen gelegt wurde, die Türen der Kinderstube aufflogen und die welke,
graue Gestalt von Tod selbst eintrat.
    >Bill<, sprach das Phantom
mit einer angemessen schrecklichen und furchterregenden Stimme, >ich komme,
um dich zu holen. <«
    Gwurm reckte eine Hand mit
ausgestrecktem Zeigefinger vor.
    »Natürlich wieselten daraufhin
alle voller Angst davon. Nur das Kindermädchen des Prinzen hatte den Mut, sich
dem Tod zu stellen und um das Leben des Kindes zu flehen.
    Natürlich wollte Tod nichts davon
hören. Aber aus Respekt für die Tapferkeit des Kindermädchens zeigte er ihr
seine schwarze Schriftrolle, in der die Namen und Daten aller Tode, die waren,
sind und je sein werden, geschrieben stehen. Nur, um weitere Diskussionen zu
vermeiden.
    Das Kindermädchen warf einen
langen Blick auf die Schriftrolle und bemerkte, dass Bills Name zwar darauf
stand, dass es aber das falsche Datum war. Dass es dem Prinzen vielmehr
bestimmt war, dreiundneunzig Jahre nach dieser Nacht zu sterben.«
    Gwurm war ein ausgezeichneter
Geschichtenerzähler und Molch konnte sich die Frage nicht verkneifen: »Und was
passierte dann?«
    Gwurm zuckte die Achseln. »Tod
prüfte die Liste noch einmal, entdeckte, dass das Mädchen recht hatte,
entschuldigte sich bei allen Beteiligten und ging seiner Wege.
    Aber das war nicht das Ende der
Geschichte. Denn Bill war zu dem Wissen verdammt, das kein Mensch je tragen
sollte. Er kannte seinen Todestag. Weil das Kindermädchen kein Geheimnis für
sich behalten konnte, wusste es tatsächlich sogar bald schon jeder. Und Prinz
Bill wurde als der verdammte Bill bekannt.
    Von diesem Augenblick an
verbrachte der arme, dem Untergang geweihte Bill sein Leben, die ganzen
dreiundneunzig Jahre, nur damit, auf den Tod zu warten. Bloß warten und warten
und warten. Ohne etwas zu erreichen. Ohne etwas zu genießen. Während andere
lebten und liebten und die Freude und das Leid des Daseins entdeckten, saß Bill
nur in seinem Schloss und blies Trübsal. Und als der schicksalhafte Tag endlich
kam, kam Tod noch einmal, um ihn zu holen.«
    Molch rutschte auf meinem Schoß
herum. »Also verschwendete er sein Leben? Das ist die Moral der Geschichte?
Irgendein lächerlicher Prinz wirft sein Leben weg, nur weil er so dumm ist, und
das soll uns eine Lehre sein?«
    Ich hatte nicht bemerkt, dass Wyst
seinen Ritt verlangsamt hatte, um näher heranzukommen. Er sah weiter geradeaus.
Ich wusste erst, dass er zugehört hatte, als er plötzlich eine Bemerkung
machte. »Das ist nicht das Ende der Geschichte.«
    »Oh, gut.« Molch sah den Ritter
und den Troll finster an.
    Gwurm grinste schlau. »Also tippt
Tod dem verdammten Bill mit einem knorrigen Finger auf die Schulter, hält die
schwarze Schriftrolle vor ihn hin und entschuldigt sich für seine Verspätung.
Natürlich überraschte das den verdammten Bill, der wusste, dass Tod auf die
Sekunde genau gekommen war.
    Aber wie sich herausstellte, hatte
Tod das erste Mal recht gehabt. Der verdammte Bill war dazu verurteilt gewesen,
in seiner ersten Nacht auf dieser Welt zu sterben.«
    Molch grunzte. »Warte mal. Tod hat
einen Fehler gemacht?«
    »Der Geschichte zufolge.«
    »Tod macht aber keine Fehler.«
    »Jeder macht mal Fehler. Ab und
zu.«
    Molch schnaubte. »Aber Leute
sterben nicht wegen falsch gelesener Schriftrollen.«
    »Es ist nur eine Geschichte.«
    »Ja, aber sie ergibt keinen Sinn.
Das Schicksal macht keine Fehler. Wenn es das täte, wäre es nicht das
Schicksal. Es wäre, na ja, ich weiß auch nicht was. Aber es wäre nicht das
Schicksal.«
    »Ich erzähle es nur so, wie ich es
gehört habe.«
    »Das Schicksal macht Fehler«,
sagte ich. »Eigentlich sogar ziemlich oft. Es kommt nur selten vor, dass jemand
in der Lage ist, es auch zu bemerken.«
    Gwurm kicherte. »Du hast das
Wesentliche nicht begriffen. Es gibt Dinge, die besser unbekannt bleiben.«
    »Nein. Du hast es nicht begriffen.
Er wusste nichts. Er dachte nur, er wüsste es.«
    »Das ist dasselbe.«
    »Nein, ist es nicht.«
    »Es ist nur eine Geschichte«, gab
Gwurm nach. »Leite daraus ab, was du willst.«
    Es wurde wieder still, und ich
nutzte die Zeit, um meine Vision durchzugehen. Die vier Prüfungen, die vor uns
lagen, konnten in jeder beliebigen Reihenfolge kommen, und sicherlich würde
jede gefährlicher werden als die vorherige. Dies war das Wesen allen
lohnenswerten Suchens. Obwohl ich nicht wusste, welche Form sie annehmen
würden, hielt ich uns für gut vorbereitet. Gwurm besaß Stärke und

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