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Eine hinreißend widerspenstige Lady

Titel: Eine hinreißend widerspenstige Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Chase
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grausame Täuschung. Niemand. Nichts. Dunkle, endlose Leere. Plötzlich in der Ferne ein wehklagender Schrei.
    Heiß schien die Sonne durch die Ritzen der Fensterläden und weckte ihn. Von draußen klang lautes Wehklagen herein, das er mittlerweile als ägyptische Musik zu deuten wusste. Die Matrosen sangen, begleitet von Flöten und dem Schlag einer irdenen Trommel.
    Als er sich aufsetzte, begegnete er Toms Blick Der Junge, der geduldig neben der Tür gehockt hatte, stand auf und brachte Wasserkrug, Schüssel und Handtuch herbei.
    Rupert wusch sich.
    „Rasieren, Sir?“, fragte Tom.
    Rupert fuhr sich über die Wangen und verzog das Gesicht. Er wollte hoffen, dass es nächtlicher Bartwuchs war, und er nicht gestern schon Daphnes zarte Haut mit diesen infamen Stoppeln zerkratzt hatte.
    Daphne, dachte er. Sie hieß Daphne. Er musste lächeln und wusste nicht, warum.
    „Sir?“
    „Ja, ja. Eywa.“
    Er rasierte sich und dachte dabei an ihren Körper und wie sie sich mit ihm bewegt und wie sie geschmeckt hatte. Wie sie ihm hinterhergelaufen war, die Brust entblößt, die flatternden Hosen notdürftig zusammengehalten.
    Unbefangen, hemmungslos, leidenschaftlich ...
    ... und nun, so wurde ihm schlagartig bewusst, wieder unerreichbar.
    Sie waren nicht mehr von der Welt abgeschnitten.
    Niemand wusste, was in jenem Grab über Assyut geschehen war. Aber jeder würde wissen, was an Bord der Isis geschah.
    Ach, das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut war das.
    Er war noch nie sonderlich fähig gewesen, einer Versuchung zu widerstehen. Vielmehr tat er seit jeher, was ihm gefiel - innerhalb eines gewissen Rahmens, versteht sich, der indes recht weit gesteckt war. Doch die Geduld seines Vaters hatte Grenzen, und Rupert war nicht so dumm, sie zu überschreiten. Er hatte keine Angst vor seinem Vater. Aber er hatte auch keine Angst vor Schlangen, und dennoch würde er sie niemals absichtlich reizen.
    Und nicht mal im Traum fiele ihm ein, den guten Ruf einer Dame in Misskredit zu bringen. Ein solches Verhalten war eines Gentlemans unwürdig.
    Zugegeben, England war fern. Aber nicht so fern, als dass englische Reisende ihre lieben Daheimgebliebenen nicht per Brief mit skandalösen Nachrichten versorgen könnten. Er würde diskret sein müssen. Er würde sich von ihr fernhalten, bis ...
    Herrgott, wie lang wohl?
    Besser nicht daran denken, sagte er sich. Sich zu grämen brachte nichts und ließe seine Laune nur unerträglich werden. Er beendete seine Rasur und zog sich an.
    „Soll ich Kaffee bringen?“, fragte Tom.
    „Ja. Oder nein. Ich frühstücke in der vorderen Kabine. Ist die Herrin schon wach?“
    „Wach ja“, sagte der Junge. Nach kurzer Pause fügte er hinzu: „Aber nicht gut. Krank, Sir. Man hat mir die Tür ins Gesicht geworfen.“ Er hielt sich die Hand vor das Gesicht.
    Erst nun fiel Rupert auf, wie still der Junge war. Normalerweise plapperte Tom ohne Unterlass in seiner sehr eigenen Vermengung des Englischen und Arabischen. So dauerte es auch nun etwas, bevor Rupert den Sinn seiner Worte ganz begriff.
    „Krank?“, wiederholte er mit angstvoll pochendem Herzen.
    Ja, sehr krank. Die Frauen hätten ihn fortgejagt, weil er zu viel Lärm mit seinem Geheul machte. Aber er konnte nicht anders. Die erbosten Dschinn hätten das Herz der Herrin versehrt, weil sie ihnen entkommen war. Sie war eine sehr gute Herrin, befand Tom, wie eine gute Mutter war sie ihm. Sie würde niemals zulassen, dass man ihn schlug, auch dann nicht, wenn er sich dumm anstellte. Wenn er krank war, pflegte sie ihn. Seinen Onkel Ahmed hatte sie von den Toten erweckt. Erneut stimmte der Junge sein lautes Geheul an.
    „Hör auf“, fuhr Rupert ihn an. „Sie stirbt ja nicht.“ Dennoch eilte er aus seiner Kabine, den Gang hinab zum Heck und klopfte an ihre Tür.
    Lina öffnete sie einen Spaltbreit. „Meine Herrin kann Sie heute nicht erfreuen“, flüsterte sie. „Sie ist zu krank.“
    „Was ist denn los?“, wollte er wissen. „Gestern war sie noch gesund. Warum hat niemand mich geweckt?“
    „Sie möchte Sie nicht sehen“, sagte Lina und wollte die Tür wieder schließen.
    Rupert zog sie energisch auf.
    Daphne lag zusammengekauert auf dem Diwan, mit schmerzverzerrtem Gesicht und furchtbar bleich.
    Ihm wurde so beklommen um die Brust, als wäre er viele Meilen gerannt.
    „Was ist los?“, fragte er wieder, diesmal sanfter. „Fieber?“ Hatte sie sich womöglich doch bei dem Baby angesteckt? Wenn ja, wüsste er zumindest, was zu tun war. Sie

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