Eine hinreißend widerspenstige Lady
sich über die Stirn fuhr. „Wie, wer?“, fragte sie.
„Wer in der griechischen Mythologie?“
„Die Tochter des Flussgottes. Auf der Flucht vor Apollo hat sie sich in einen Lorbeerbaum verwandelt.“
„Ach ja, stimmt. Diese alten Griechinnen haben sich ja andauernd in irgendwas verwandelt - Bäume, Blumen, Echos. Ziemlich übertrieben, wie ich immer fand. Warum nicht einfach sagen: ,Ich habe Kopfweh“? Und wie zimperlich muss man eigentlich sein, um vor Apollo wegzulaufen? War er nicht eines der Prachtexemplare unter den Göttern?“
„Mir erschien sie auch schon immer recht töricht“, murmelte Daphne. „Ausgerechnet Apollo! Aber diese Mythen sind ohne jeden Sinn oder Verstand. Da gibt es Frauen, die einem Schwan oder einem Stier ihre Gunst gewähren, und andererseits ... Mr. Carsington, was stinkt hier so?“
„Vorhin war ich noch Rupert“, beschwerte er sich. „Warum muss ich jetzt wieder Mr. Carsington sein? Ich kann nichts dafür, dass wir uns hier herausbuddeln müssen. Sollte ich schlimmer stinken als zuvor, dann deshalb, weil ich wie verrückt grabe und man in dieser Hitze ...“ Doch da roch auch er es - den unverkennbaren Geruch toter alter Ägypter.
Es war überwältigend, überwältigender als je zuvor.
Trotz Abscheu und Angst vor dem, was ihn erwartete, räumte er das Gestein nur noch schneller beiseite.
Der Geruch wurde immer stärker.
Aber der Weg war frei. Prüfend streckte er die Hand aus und griff ins Leere. Als er sich wieder auf dem Boden abstützte, knackte etwas unter seinen Fingern.
„Ich glaube, wir haben es geschafft“, sagte er tapfer.
Er spürte, wie sie sich an ihm vorbei in den dunklen Raum vorwagte.
„Es riecht nach Grab“, stellte sie fest.
„Sie haben nicht zufällig noch eine Kerze übrig?“, fragte er. „Der Boden scheint mir doch etwas ... bevölkert.“
Er hörte es rascheln. „Ich habe noch einen kleinen Stumpen in meinem Gürtel“, sagte sie. „Aber meine Zunderdose kann ich nicht finden.“
Dafür fand er die seine, und nach mehreren missglückten Versuchen gelang es ihm, den Kerzenstumpen anzuzünden.
Viel Licht gab er nicht, doch genügend, um erkennen zu können, dass sie sich in einer Grabkammer befanden - deren Boden mit zerflederten Mumien übersät war.
Rupert bat Daphne, die Kerze ja nicht auszublasen, bevor sie nicht den Zugang des Schachtes erreicht hätten.
Er wolle nicht auf die Mumien treten, sagte er.
Allerdings war es schwer, nicht darauf zu treten. Die Grabkammer hatte eine sehr große Familie beherbergt. Num jedoch waren die Mumien zerfledert, Glieder und Schädel lagen auf dem Boden zerstreut. Lange konnte es noch nicht her sein, dass Plünderer hier nach Schätzen gesucht hatten. Oder jemand war vor nicht langer Zeit hier durchgetrampelt. Feiner Mumienstaub hing noch in der Luft. Er drang ihr in die Nase und reizte ihre Augen.
Doch dank der jüngsten Ausgrabungen oder Plünderungen war der Schacht nach draußen zumindest frei, und kurz war er zudem. Sowie sie außer Reichweite der zerstückelten Mumien waren und auch den Schacht hinter sich gelassen hatten, blies Daphne die Kerze aus.
Nicht weit entfernt schien Mondlicht herein, und sie eilten dem Ausgang entgegen, vorbei an grob behauenen Wänden bar aller Ausschmückung.
Am Ausgang angelangt, blieben sie stehen.
In Ägypten schien der Mond heller, strahlender als in England.
Vom Hang aus konnten sie Assyut überblicken. Die Stadt lag inmitten der fruchtbaren Nilebene, die Minarette schimmerten schneeweiß im Mondlicht. Ein Damm, aufgeschüttet, um die jährlichen Überschwemmungen fernzuhalten, schlängelte sich zum Nil hinab, dessen gewundener Lauf noch in der Feme deutlich zu erkennen war.
Auch das Dorf El-Hamra, den Hafen von Assyut, konnten sie von hier oben sehen. Allerdings war es unmöglich, in dem Gewimmel der Boote die Isis auszumachen.
Die Dahabije zu finden war indes nicht ihr dringlichstes Problem. Zunächst einmal mussten sie unbehelligt zum Hafen gelangen.
„Sollen wir den Weg durch die Stadt riskieren?“, fragte Daphne. „Ein Umweg könnte Stunden dauern.“
„Wenn die Tore verschlossen sind, bleibt uns nichts anderes übrig“, wandte er ein. „Aber ich würde es auch zunächst versuchen. Mit etwas Glück kommen wir unbemerkt durch.“
„Die Banditen ...“,gab sie zu bedenken. „Sie könnten den Tunnel entdeckt haben. Oder vielleicht wissen sie, wo er aus dem Berg hinausführt.“
„Dann sollten wir uns besser beeilen“, meinte
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