Eine hinreißend widerspenstige Lady
Ihrem Bruder begibt. Bestimmt will er den Franzosen nervös machen. Und es hat funktioniert. Auf dem Weg hierher habe ich kurz an Duvals Haus haltgemacht - es scheint, als habe er Kairo gestern Nachmittag urplötzlich verlassen.“
Sie erwiderte nichts.
Rupert goss ihr Kaffee ein. Sie nahm die Tasse und starrte blicklos hinein.
„Sie wissen hoffentlich, dass es uns nur recht sein kann, wenn Duval Kairo verlassen hat“, meinte Rupert. Und auch Noxious, fügte er im Stillen hinzu. „Oder wollen Sie riskieren, dass er Sie als Geisel nimmt, damit Ihr Bruder auch ja keinen Fluchtversuch wagt?“
Sie sah auf und erwiderte seinen Blick. „Ich weiß, was Sie meinen. Das Problem ist nur, dass ich nun auch weiß, dass Miles gewiss nicht in Kairo ist. Und ich kann nicht einmal mehr Lord Noxley fragen, wohin diese Leute meinen Bruder verschleppt haben, weil Lord Noxley nämlich auch fort ist. Ich habe mich im Kreis gedreht, Zeit verschwendet, während ich nun schon viel weiter sein könnte, hätte man mir diese eine, wichtige Informa-tion nicht vorenthalten!“
„Das dürfte ihm kaum bewusst gewesen sein“, wandte Rupert ein. „Er nahm an, dass Sie brav zu Hause warten würden, während der große Dummkopf vom Konsulat Ihre Sicherheit gewährleistete. Aber versetzen Sie sich nur an Noxious’ Stelle: brillanter Plan - keine Zeit verschwenden -, Geheimnis aufklären und zur Rettung eilen. Dann: Heimkehr mit Bruder und wertvollem Papyrus - Applaus. Die Dame bricht vor Dankbarkeit in Tränen aus ... und schenkt dem galanten Ritter ihr ... ähm ... Herz.“
Pikiert straffte sie die Schultern. „Eine andere Dame vielleicht“, sagte sie. „Ich gewiss nicht.“
„Ah, dachte ich es mir doch“, meinte er. Inständig gehofft hatte er es. Er hatte gehofft, dass sie viel zu klug und temperamentvoll war, um sich mit der passiven Rolle zu begnügen, die Noxious für sie vorgesehen hatte.
Rupert sah, wie sie sich zur Schlacht wappnete. Sie glaubte, dass auch er sie unterschätzte.
„Dann gehe ich sicher richtig in der Annahme, dass wir umgehend die Verfolgung aufnehmen?“, fragte er rasch.
Sie blinzelte kurz, dann wich die Anspannung von ihr, und um ihre Lippen huschte ein schiefes Lächeln, bevor sie sich wieder fing. Das Kinn gereckt, erwiderte sie: „Natürlich nehmen wir die Verfolgung auf.“
„Das dachte ich mir“, entgegnete er kühl. „Und wie hätte die Dame es denn gern: zu Boot oder Kamel?“
Samstag, 8. April
Zwei Tage später stand Daphne im Heck des Bootes an der Tür zu ihrer Kabine und war sich allzu deutlich bewusst, dass Mr. Carsington dicht hinter ihr stand.
„Und?“, fragte er.
„Sehr ... geräumig“, sagte sie. Zu klein ist es, dachte sie, zu eng.
Das Boot war eine Dahabije, sozusagen die auf dem Nil verkehrende Variante der Jacht. Mr. Carsington hatte sich überraschenderweise als Kenner der antiken Mythologie erwiesen, als er es Isis genannt hatte - nach der ägyptischen Göttin, die die ganze Welt nach dem Leichnam ihres Mannes abgesucht hatte.
Mit ihren sechs Kabinen war die Isis groß, geräumig und recht luxuriös ausgestattet. Scheich Salim hatte sie für seinen gelehrten (!!!) Freund Mr. Carsington abbeordert, denn er wollte nicht, dass sein hochgewachsener englischer Freund sich vom ständigen Kopfeinziehen einen steifen Hals hole.
Von Land aus besehen hatte es tatsächlich sehr groß und beeindruckend gewirkt, vor allem im Vergleich zu den anderen Booten. Nun, im Innern, sah es schon ganz anders aus.
Zu spät ging Daphne auf, dass sie sich auf unabsehbare Zeit nicht nur auf recht beengtem Raum würde einrichten müssen, sondern diesen auch noch mit Mr. Carsington teilen musste.
Es war ein Fehler gewesen, sich für den Seeweg zu entscheiden.
Über Land hätte sie es lediglich mit Sandstürmen, launischen Kamelen und marodierenden Beduinen zu tun bekommen. Doch nun war es zu spät, und ihr Verstand sagte ihr zudem, dass dies die vernünftigere Wahl war. Sie täte Miles keinen Gefallen, wenn sie umgebracht würde, und eine Reise durch die Wüste hatte sich schon für manchen Europäer als todbringend erwiesen. Großes, gut bewaffnetes Geleit mochte die Reise etwas sicherer machen, doch dies alles zu organisieren würde zu viel Zeit kosten.
Und Mr. Carsington hatte wahrlich ein Wunder vollbracht. Ein Boot zu beschaffen dauerte gewöhnlich Wochen. Ihm war es in nur zwei Tagen gelungen, und das obwohl Freitag der muslimische Ruhetag war, an dem man eigentlich überhaupt
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