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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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die an Arthritis litt, zog sich in ihr Zimmer zurück, um sich hinzulegen. Bridget hatte noch nie viel für Wintersport übrig gehabt und verschwand in der Hochzeitssuite. War es nicht ganz natürlich, am Tag der eigenen Hochzeit allein sein zu wollen? Bridget wäre mit einem Einzelzimmer vollauf zufrieden gewesen. Sie wollte Bill vor der Feier gar nicht mehr sehen oder mit ihm sprechen. Aber es hätte zweifellos einen merkwürdigen Eindruck gemacht, wenn sie zwei Einzelzimmer verlangt hätte. Nur junge Frauen, Jungfrauen, taten das heutzutage. Soweit es heutzutage noch Jungfrauen gab.
    Bill stellte sich neben sie und nahm ihre Hand. Hinter ihr schluchzte jemand. Ihre Mutter? Nein, falsche Seite. Agnes? Ausgeschlossen. Wer sonst saß noch in der Gegend? Der Druck von Bills Hand hatte die gewünschte beruhigende Wirkung. Ihr Atem ging langsamer, sie hatte das Gefühl, daß auch die Hitzewallung nachließ. Rob suchte ihren Blick und formte ein paar lautlose Worte, die sie nicht ganz entschlüsseln konnte. Wir lieben dich ?
    Versprichst du, sie zu lieben, zu ehren und zu beschützen …
    Bridget warf verstohlen einen Blick zur Seite. Ja, es war tatsächlich Agnes, die da schluchzte. Aber warum? Agnes kannte Bridget kaum. Sie hatten sich auf der Schule nicht besonders nahegestanden und sich seit siebenundzwanzig Jahren nicht gesehen. Bill drückte ihre Hand ein wenig fester, und sie sah ihn an. Mit einer Kopfbewegung gab er ihr zu verstehen, daß sie zu den Gästen schauen solle. Bridget musterte die kleine Gruppe. Harrison und Nora weit hinten. Agnes und Josh. Ihre Mutter und – meine Güte!
    Ihr Blick blieb an der jungen Frau mit dem langen dunklen Haar hängen. Melissa war quer durchs Land gefahren, um an der Hochzeit ihres Vaters teilzunehmen.
    Sie sah Bill an, sah die ungläubige Verwunderung in seinen Augen, das Lächeln, das sich kaum zurückhalten ließ. Sie hätte sich kein schöneres Geschenk für ihn vorstellen können: das Gefühl, daß sich nun doch noch alles gefügt hatte; eine Absolution, die mehr bedeutete, als jede, die sie oder ein Priester hätten gewähren können. Melissa würde Bill beim Empfang wahrscheinlich nicht von der Seite weichen, würde Bridget vielleicht mit Nichtachtung strafen, aber das spielte keine Rolle. Daß sie gekommen war, bedeutete diesem Mann, der in wenigen Minuten Bridgets Ehemann sein würde, alles.
    … jedem einzelnen von uns ein Leben geschenkt hat …
    Als junges Mädchen hatte Bridget sich schon ausgemalt, wie sie mit Bill vor den Traualtar treten würde, noch bevor sie mit dem Jungen auf der Kidd auch nur ein persönliches Wort gewechselt hatte. Er war in der Abschlußklasse gewesen, sie eine Klasse tiefer, und sie erinnerte sich, wie sie ihn von weitem beobachtet und bewundert hatte, wenn er mit der Sporttasche über der Schulter über das Gelände gegangen war, aufrecht, den Blick geradeaus, ein offenes Lächeln für jeden, der ihm begegnete. Bridget hatte versucht, sich ihm bemerkbar zu machen, indem sie sich häufig in seiner Nähe aufhielt, und als diese Manöver nichts fruchteten, überredete sie einen Freund, ihn zu einer Tanzveranstaltung an einem Freitagabend Ende Oktober mitzubringen. Bridget stellte Bill nicht direkt nach, aber ihr war klar, daß er Mädchen gegenüber schüchtern war und daß sie die Initiative ergreifen mußte. Sie wußte noch genau, wie sie mit verstohlen geballten Fäusten auf ihn zugegangen war und ihn zum Tanzen aufgefordert hatte, zu einem Song der Jackson Five, bei dem eine Unterhaltung unmöglich war. Sie sprachen an diesem Abend kaum etwas miteinander, die Musik und das Stimmengewirr waren so laut, daß man schreien mußte, wenn man sich Gehör verschaffen wollte.
    Sie verließen das Fest gemeinsam und gingen in die rauhe Küstennacht hinaus. Beide waren erhitzt, und Bridget begann sofort zu frösteln. Sie hatte nur einen Pulli an, und Bill gab ihr seine Jacke. Sie erinnerte sich, daß sie nicht direkt zum Wohnheim zurückgegangen waren, wie zu erwarten gewesen wäre, sondern, nur vom Mondlicht geleitet, dem schmalen Fußweg zum Strand hinunter gefolgt waren. Sie setzten sich in den feuchten Sand, Bridgets neue Jeans wurden wie paniert, und sahen zu, wie die Flut langsam immer näher kam. Da hatten sie miteinander gesprochen, aber worüber? Bridget wußte es jetzt nicht mehr. Sie wußte nur noch, wie es gewesen war, neben diesem Jungen zu sitzen, von dem sie seit Wochen geträumt hatte.
    Es war, dachte sie jetzt, eine

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