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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Bettkante sitzen lassen, um ihren zu holen. Sie ging auf Bill zu und blieb stehen.
    »Bill?«
    »Mein Leben lang habe ich mir das hier gewünscht«, sagte er, »und was bleibt uns jetzt?«
    Die Frage blieb unbeantwortet. Bridget fror jetzt wirklich. Sie legte fest die Arme um ihren Oberkörper, um sich zu wärmen, aber sie spürte nur die dünne Seide des Nachthemds.
    »Es ist so ungerecht«, sagte Bill weinend. »So grausam. Und ich bin schuld.«
    Mein Gott , dachte Bridget.
    Bill kreuzte die Arme über der Brust und begann, sich auf der Bettkante vor und zurück zu wiegen. In den schwarzen Socken und der Boxershorts sah er wehrlos aus. Allzu lange hatte er sich die häßliche Wahrheit ihrer Krankheit vom Leib gehalten. Warum sie ihn gerade jetzt überfiel, wußte Bridget nicht. Vielleicht hatte das Erscheinen seiner Tochter, die Vollkommenheit seines Glücks, den Zusammenbruch herbeigeführt. Als er in den wenigen ungeschützten Momenten des Alleinseins in der Suite erkannt hatte, wie trügerisch dieses Glück war.
    Sie und Bill durften nicht auseinanderdriften. Es stand zu viel auf dem Spiel. Es ging zum einen um Matt. Zum anderen um ihren Zustand. Und es ging um die vielen Jahre, die sie nicht gehabt hatten. Um diese eine Chance, sie nachzuholen. Bridget zündete die Kerze auf dem Nachttisch an und machte das Licht aus.
    Ein Letztes noch.
    Sie nahm die Perücke ab und ließ sie zu Boden fallen.
    »Komm doch ins Bett«, sagte sie.
    Sie ging um das Bett herum zur anderen Seite und legte sich hin. Sie hörte, daß Bill sich auszog. Ein weinender Mann war ein beängstigender Anblick. Bei der Trauung hatte es ihr nichts ausgemacht, weil sie wußte, daß es Tränen der Freude und der Erleichterung waren. Dies jetzt hingegen waren Tränen der Verzweiflung. Erschreckend und beängstigend. Sie mußte sie zum Versiegen bringen, ganz gleich, was geschah. Wenn Bill die Fassung verlor, würde auch sie zusammenbrechen. Diese Kettenreaktion mußte verhindert werden.
    Bill legte sich zu ihr und nahm sie sofort in die Arme. »So hatte ich es nicht vor«, sagte er mit einem unwillkürlichen kleinen Aufschluchzen.
    »Ich weiß«, sagte sie.
    »Du bist schön.« Er lachte leise. »Morgen werde ich mich umbringen wollen, wenn ich an das hier denke.«
    »Tu’s lieber nicht«, sagte sie. »Ich will nicht Witwe werden.«
    Er strich mit der Hand über ihre Hüfte. »Ich wollte damit nicht sagen –«
    »Nein«, sagte Bridget. »Ich weiß.«
    Aber er hatte natürlich genau das sagen wollen. Daß er glaubte, daß sie bald sterben und er dann allein sein würde. Es war ja auch traurig. Warum sollte Bill den Schmerz darüber nicht fühlen dürfen? Sie hätten siebenundzwanzig gemeinsame Jahre haben können. Jetzt blieben ihnen vielleicht nur zwei oder drei, und die meisten Tage wären nicht schön. Möglich, daß diese Nacht das Schönste war, was ihnen vergönnt wäre.
    »Kannst du mir je verzeihen?« fragte Bill.
    »Was denn?«
    »Daß ich dich verlassen habe. Daß ich Jill geheiratet habe.«
    »Das habe ich dir längst verziehen.«
    »Wirklich? Wann?«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Bridget. »Letzte Woche vielleicht.«
    Bill küßte sie auf seine besondere Art, diese Art, die sie so gern mochte. Sie waren ein in die Jahre gekommenes Liebespaar, obwohl sie nur so wenig Zeit miteinander verbracht hatten. Sie waren nicht abenteuerlustig. Heute nacht hätte Bill vielleicht etwas Neues gewagt. Aber der Schmerz – das wirksamste Mittel gegen Sex – hatte ihn besiegt.
    Bridget ergriff die Hand ihres Mannes und führte sie an ihren Kopf. »Berühre mich hier«, flüsterte sie.
    Sie hatte nie ohne ihre Perücke mit Bill geschlafen. Sie wußte, wie ihre Kopfhaut sich anfühlte – das erschreckend dünne Haar, die kahlen Stellen –, aber jetzt, fand sie, mußte es sein. Wahrhaft verheiratet waren sie nur, wenn er auch diesen Teil von ihr kannte. Einen Moment blieb seine Hand an der Stelle liegen, zu der sie sie geführt hatte. Vielleicht wußte er nicht genau, was sie wollte. Sie ließ ihm Zeit, er würde gleich verstehen.
    Er streichelte ihren Kopf über ihrem Ohr, nahe der Schläfe, und dann die Bucht über dem Nacken. Bridget dachte an die junge Frau bei der Sheitelmacherin. Wie mochte ihre Hochzeitsnacht gewesen sein? Hatte sie feierlich ihre Perücke abgenommen, um ihren geschorenen Kopf zu zeigen? Hatte sie geweint? Hatte ihr Mann, ein namenloser Unbekannter, angesichts ihres Opfers ihren Kopf so liebevoll gestreichelt wie Bill jetzt

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