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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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stand vom Schreibtisch auf. Mit einer gewissen Befriedigung trat sie zum Bett und begann, ihre Sporttasche auszupacken.

BRIDGET BETRACHTETE die beiden fünfzehnjährigen Jungen auf dem Rücksitz. Beide schliefen, die Körper entspannt, die Münder geöffnet, Kopfhörer auf den Ohren, aus denen blechern Musik zu hören war. Matt, ihr Sohn, hatte eine reine Haut, obwohl er mit Akne zu rechnen hatte, würde er nach seinem Vater geraten. Das Gesicht seines Freundes war beinahe entstellt, grausames Zeichen der Pubertät. Bridget hätte Brian gern auf BenzaClin und Tetracyclin aufmerksam gemacht, aber konnte man das, ohne ihn zu verletzen? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht sollte sie wegen der Antibiotika mit Brians Mutter sprechen. Nein, das wäre auch nicht besser. Sie würde sich einfach heraushalten. Hatte sie denn nicht Sorgen genug, ohne sich auch noch um Brians Teint zu kümmern?
    Trotzdem. Die Wunder der modernen Medizin.
    Bridget ließ ihren Blick auf Matts schlafenden Zügen verweilen, etwas, wozu sie selten Gelegenheit hatte. Meistens war ihr Sohn noch wach, wenn sie zu Bett ging, sein Biorhythmus lief dem ihren völlig entgegen. Sie konnte ihn natürlich morgens im Schlaf sehen, wenn sie nach oben ging, um ihn für die Schule zu wecken, aber vor dem Augenblick graute ihr jedesmal. Matt erwachte stets schlechtgelaunt und voll heftiger Abwehr dagegen, aus seinen Träumen gerissen zu werden. Seine Empörung äußerte sich in seinem schleppenden Schritt zum Badezimmer, im übermäßig langen Duschen und in einer aufreizenden Unfähigkeit, sich in angemessener Zeit für ein Hemd und eine Hose zu entscheiden. Er frühstückte nur selten, und Versuche, Matt am frühen Morgen in ein Gespräch zu ziehen, brachten wenig Freude. Mutter und Sohn beschränkten ihre Kommunikation deshalb auf kurze Fragen, die, vermutete Bridget, wahrscheinlich überall in Amerika ähnlich waren. Hast du deinen Rucksack? Deine Baseball-Cleats? Hast du deine Hausaufgaben gemacht? Wann ist das Training aus? Antworten erfolgten in Grunzlauten, die sich zu gereizten Erwiderungen steigern konnten, wenn Bridget eine Frage zuviel stellte. Sie hatte in den letzten anderthalb Jahren gelernt, präsent zu sein, wenn sie gebraucht wurde, sonst aber unsichtbar zu bleiben. Es war eine Kunst, die sie beinahe perfekt beherrschte.
    Die Nachmittage waren freundlicher. Matt war umgänglicher, wenn er von der Schule nach Hause kam. Noch den Geruch der Turnhalle oder des Spielfelds an sich, stürmte er zur Tür herein, so hungrig, daß ihm beinahe jedes Essen recht war, das sie auf den Tisch stellte. Nur in diesen Momenten konnte Bridget ihn dazu bewegen, Gemüse zu essen – ungekocht mit einem Dip. Matt war gesprächig und akzeptierte ihre Fragen, und sie achtete darauf, nicht zuviel zu fragen, und vor allem nicht an zwei Tagen hintereinander das gleiche. Seit sie krank war, zeigte Matt manchmal Fürsorglichkeit. Es kam vor, daß er sie (von seiner Gitarre aufblickend) fragte, wie es ihr ging, oder daß Bridget ihn dabei ertappte, wie er voll forschender Aufmerksamkeit ihr Gesicht betrachtete, wenn er glaubte, sie merke es nicht. Bridget hatte versucht, ihre Krankheit soweit wie möglich vor ihrem Sohn zu verbergen. Sie ließ Bill die Hauptlast tragen, und er tat es ohne Klage.
    Bill ging an den Tagen, an denen Bridget zur Chemotherapie mußte, nicht zur Arbeit; er saß bei ihr, während die Medikamente vom Tropf in ihren Körper geleitet wurden. Anders als viele Patienten stellte Bridget sie sich nicht als Gifte vor, obwohl sie das sicher waren. Sie dachte sich die drei chemischen Mittel, die ihrem Körper eingeträufelt wurden, lieber als heilende Säfte. Und Bill war an den Nachmittagen und Abenden, wenn Bridget kaum den Kopf vom Kissen heben konnte, immer in ihrer Nähe. An den Behandlungstagen brachte er ihr Ricotta und Obst, merkwürdigerweise das einzige, was ihr schmeckte. Er ließ sie in Ruhe, wenn sie es wollte, oder stand wartend, die Hände in den Hüften, im Schlafzimmer, wenn sie sich im Bad übergab. Sie wollte nicht, daß er das sah, obwohl sie wußte, daß er es hörte. Manchmal wurde sie, wenn sie sich übergab, von einer grauenvollen Angst ergriffen, dann rief sie ihn, und er kam. Das Wissen, daß er da war, gleich vor der Badezimmertür, reichte aus, um sie zu beruhigen. Er sagte, daß die Tortur bald vorbei sei und die Medikamente offensichtlich wirkten – Plattheiten, mit denen sie sich ebensogut selbst hätte trösten können.
    Sie

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