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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Gewebeprobe entnehmen, obwohl man kein auffälliges Ergebnis erwartete.
    Im Sprechzimmer des Radiologen wurde Bridget ein Fleck auf ihrer Röntgenaufnahme gezeigt, der in den Worten des Arztes »verdächtig« war.
    »Sehen Sie den Stern?« Der Arzt wies auf eine Stelle, hielt dabei aber den Blick auf Bridget gerichtet. Und erst am Nachmittag, als sie Bill davon erzählte, begriff sie, daß das Wort »Stern« ein Euphemismus für »Krebs« war. Denn sie hatte den Krebs gesehen, das ovale Ding mit den Tentakeln, die in ihr Fleisch vordrangen. Aber selbst als sie das gefürchtete Wort zu Bill sagte, glaubte sie es nicht. Der Tumor würde sich als gutartig erweisen.
    In den Wochen danach trafen Bridget die immer bestürzenderen Nachrichten wie eine Reihe aufeinanderfolgender Schläge: zuerst das Ergebnis der Biopsie (ein bösartiger Tumor); der Befund nach der Lymphektomie (der Tumor etwas größer als erwartet); die wirklich schlechte Nachricht bezüglich der Lymphknoten (fünf betroffen); gefolgt von der Eröffnung, daß Strahlen-und Chemotherapie erforderlich waren. Aber in ihrem ganzen Umfang war die grausame Realität dieser Therapie Bridget dennoch erst bei einem vorbereitenden Gespräch mit einer Krankenschwester bewußt geworden, die von Analhygiene und Atrophie der Genitalien sprach, bis Bridget die Hand hob und leise sagte: »Hören Sie auf.« Sie wollte kein einziges Wort mehr hören, sie fürchtete die Macht der Suggestion. Verleugnen, lernte sie allmählich, war nicht nur effektiv, sondern manchmal auch lebenswichtig.
    Zu Hause erwartete Bridget eine schwere Aufgabe: Sie mußte mit Matt sprechen. Der hatte zwar mitbekommen, daß seine Mutter sich irgendwelchen Behandlungen hatte unterziehen müssen, aber er wußte noch nichts von dem Krebs. Sie bat Matt, sich mit ihr ins Wohnzimmer zu setzen. Allein diese Bitte mußte ihn beunruhigen, da Bridget höchst selten ein förmliches Gespräch suchte.
    »Was ist?« fragte er. Und als er sich setzte, noch einmal: »Was ist?«
    »Ich habe Brustkrebs«, sagte sie zu ihrem Sohn und war sich dabei bewußt, daß die beiden Wörter »Brust« und »Krebs« zunächst vielleicht gleichermaßen Abwehr hervorrufen würden, daß für einen Jungen von fünfzehn Jahren die Brust seiner Mutter und eine Krebserkrankung Vorstellungen waren, an die er lieber nicht denken wollte.
    Matt, der im vergangenen Jahr im Biologieunterricht an einem Seminar über Krebs teilgenommen hatte und über die Krankheit einigermaßen Bescheid wußte, rief: »Ich will nicht dabei sein, wenn sie dir sagen, daß du ein Rezidir hast!« Danach war er wie gelähmt vor Schock und Angst, und Bridget hatte die größte Mühe, ihren Sohn mit Versicherungen zu beruhigen, daß alles gut werden würde. Die auch physisch anstrengende Unterhaltung endete damit, daß sie beide um zehn Uhr abends Tacos essend vor dem Fernseher saßen und sich Sports-Center anschauten.
    Bridget zog ein Knie an die Brust, stützte sich mit dem Fuß am Armaturenbrett ab, legte ihren rechten Arm auf die Fensterleiste. Die wenigen Wochen nach dem Abend mit Matt waren schwierig gewesen, ihr Sohn zog sich immer mehr zurück und nannte die Probleme nicht beim Namen, als fürchtete auch er, daß sie erst dann Realität wurden, wenn man über sie sprach. Bridget und Bill beschlossen Matts wegen, daß Bill vorläufig nicht zu Bridget ziehen, sondern in seiner Wohnung in Boston bleiben sollte (eine nostalgische und unlogische Entscheidung, wenn man bedachte, wie vertraut Teenager heutzutage mit zerrütteten und Patchwork-Familien waren), trotzdem verbrachte Bill mehr Abende und Nächte als früher bei ihr, um ihr während der Behandlungen beizustehen, für Matt zu kochen und ihm bei den Hausaufgaben zu helfen. Bridget schlief zu den ungewöhnlichsten Zeiten und ging manchmal schon vor acht Uhr zu Bett. Es tröstete sie zu wissen, daß Bill im Haus war, auch wenn Matt ihn nicht direkt brauchte.
    Aber als die Sache mit dem Alkohol passierte, war Bill nicht dagewesen. So hatte Bridget es jetzt verbucht: Die Sache mit dem Alkohol.
    An einem Montagmorgen war Bridget aufgestanden, um Matt und Lucas Frye, einem Freund ihres Sohnes, der bei ihnen übernachtet hatte, arme Ritter zu backen. Lucas’ Eltern waren auf Reisen, Bill ebenfalls. Bridget, die sich etwas unternehmungslustiger fühlte als gewöhnlich, war im Morgenrock in die Küche gegangen, hatte zurechtgestellt, was sie brauchte, und wollte dann die Jungen wecken. Sie rief ihre Namen von der

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