Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
Gelegenheit einmal danach fragen.«
»Sie hat mir von der Halifax-Explosion erzählt. Sagt dir das etwas?«
»Nein.«
»Offenbar brach während des Ersten Weltkriegs auf einem Schiff im Hafen von Halifax Feuer aus. Das Spektakel lockte alle Leute in der Stadt an die Fenster. Sekunden später explodierte das Schiff – es war die größte von Menschen verursachte Explosion in der Geschichte, bis die Atombombe kam –, und alle, die an den Fenstern standen, verloren durch fliegende Glassplitter ihr Augenlicht. Na ja, nicht alle, aber sehr viele.«
Nora legte zwei üppige Stück Torte auf Teller und reichte Harrison einen davon.
»Ist sie lesbisch?« fragte Harrison.
»Agnes?« Nora zog die Besteckschublade auf. »Nein.«
»Woher weißt du das so genau?«
»Das merkt man an der Art, wie sie über Männer spricht«, antwortete Nora und reichte Harrison eine Kuchengabel.
»Hat sie je eine Beziehung zu einem Mann gehabt?«
»Ich denke schon«, sagte Nora. »Es könnte ein verheirateter Mann gewesen sein. Sie macht manchmal so versteckte Andeutungen.«
Harrison schob ein Stückchen Torte in den Mund. Der Guß war aus Schlagsahne mit Kokosflocken. »Die ist wirklich köstlich«, sagte er.
»Ich habe hier am Ort eine phantastische Bäckerin entdeckt. Sie ist dreiundsiebzig. Sie bäckt seit Ewigkeiten für ihre Familie. Ich hörte durch ihre Schwiegertochter von ihr und habe einfach gefragt, ob sie auch für uns backen würde. Die Zusammenarbeit klappt hervorragend. Jeder neue Kuchen ist besser als der letzte.«
»Das ist ein Arrangement, das euch sicher beiden entgegenkommt«, meinte Harrison.
»Die Jungs haben ja einen gesunden Appetit.«
»Mir gefällt Bridgets Sohn. Sein Freund auch. Aber der Junge ist ein Zocker. Erst hat er so getan, als wäre er ein mittelmäßiger Poolspieler, und als ich mich zu einem Spiel verleiten ließ, hat er mich geschlagen und mir zehn Dollar abgeknöpft.«
Nora lächelte.
»Weißt du noch«, fragte Harrison, »was du mit siebzehn dachtest, wie du später mal sein würdest? In siebenundzwanzig Jahren vielleicht. Was für eine Person du dir vorgestellt hast?«
Nora drehte den Kopf zu den Fenstern. An einem Ärmel ihres schwarzen Kleides war ein weißer Fleck, Mehl vielleicht. Kaum in der Küche, war sie sich durch die Haare gefahren, als wollte sie für die Nacht allen Zwang ablegen, und jetzt sah es zerzaust aus, als wäre sie gerade aufgestanden. »Wahrscheinlich – wahrscheinlich dachte ich, ich würde Lehrerin werden«, sagte sie. »Ja, ich glaube, das hatte ich vor. Und du?«
»Ich wollte Chemie-Ingenieur werden«, sagte Harrison. »Ich bin an die Northwestern gegangen, weil die da ein Work-Study-Programm angeboten haben.«
»Du hattest an der Kidd ein Stipendium.«
»Ja.« Er beobachtete, wie Nora ihre Gabel ableckte.
»Und was ist an der Northwestern passiert?«
»Die alte Geschichte. Ich hatte in Englisch einen phantastischen Dozenten, merkte, daß mir Mathe überhaupt keinen Spaß machte, und das war’s dann. Das Hauptstudium habe ich an der McGill gemacht.«
»Warum Kanada?«
»Billiger.«
»Und so hast du deine Frau kennengelernt?« Nora kratzte mit der Gabel den letzten Rest Guß von ihrem Teller.
»Die Torte schmeckt dir wirklich«, stellte Harrison fest.
Nora blicke hoch und lächelte. »Stimmt.«
»Ja, so habe ich Evelyn kennengelernt.«
Die große hölzerne Uhr tickte. Harrison wollte Nora sagen, daß er mit siebzehn geglaubt hatte, er und sie würden einmal zusammenkommen. Betrunkener, als gut für ihn war, sagte er es laut. »Ehrlich gesagt, glaubte ich, du und ich würden zusammenkommen.«
Nora sagte nichts.
»Erinnerst du dich an den Abend in der Küche des Strandhauses?«
»Natürlich erinnere ich mich daran.«
»Es war nur eine Frage der Zeit«, sagte Harrison.
Nora stand auf und stellte ihren Teller ins Spülbecken. »Ich habe Stephen danach nie wieder gesehen.«
»Nein.«
»Das – das tut uns nicht gut«, sagte Nora.
»Vielleicht ist das der Sinn dieser Klassentreffen«, sagte Harrison. »Daß wir unsere Geheimnisse loswerden. Daß wir aussprechen, was damals nicht ausgesprochen werden konnte.«
»Wenn es weiter so schneit«, sagte Nora, »haben wir bis morgen mindestens acht Zentimeter Neuschnee. Angesagt sind vier.«
»Du wußtest, daß es schneien würde?«
Nora nickte.
»Auch heute morgen, als wir über das herrliche Wetter sprachen, kanntest du die Vorhersage schon?«
»Kaltfront aus Kanada.«
»Na klar«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher