Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
operativer Eingriffe am Auge zu gewöhnen.
Die Tür zum Speisezimmer ging auf. Innes hoffte, es wäre Hazel, und sah seine Hoffnung erfüllt. Als er aufstand, bedeutete Hazel ihm mit einer Handbewegung, wieder Platz zu nehmen. Ihre Kleidung hatte entschieden nichts Militärisches. Sie trug eine Seidenbluse in blassem Pfirsich, der Ausschnitt mit elfenbeinfarbener Spitze geschmückt. Ihr Haar war heute morgen strenger aus dem Gesicht gekämmt. Keine anmutige Welle schwang sich über die Stirn. Innes war mit allen Sinnen einzig auf Hazel konzentriert. Sie jedoch gab kein Zeichen jenes besonderen Verhaltens, das er am vergangenen Abend für eine Art Vertraulichkeit gehalten hatte. Er zwang sich, langsam zu essen (nicht zu schlingen wie in Studentenzeiten), obwohl er noch die Unterlagen lesen mußte, die Dr. Fraser ihm gegeben hatte. Die Uhr auf der Kredenz zeigte 8:36 Uhr.
Mit dem Instinkt einer Schachmeisterin setzte sich Hazel, die nur Tee und Toast genommen hatte, zu ihrer Mutter. Wollte sie damit Distanz zwischen sich und Innes nur vortäuschen, oder war es tatsächlich eine abwehrende Geste? Oder vielleicht eine großzügige, zum Zeichen, daß sie Innes Louise überließ? (Oder sollte sie vielleicht nur von einem Begehren ablenken, das so früh am Morgen nicht wahrgenommen werden durfte?)
»Guten Morgen, Mr. Finch«, sagte Hazel und machte damit, ohne es zu wollen, seine frühere Bitte an Louise zur Farce.
»Guten Morgen«, erwiderte Innes mühsam.
Also keine Vornamen beim Frühstück.
»Mutter, ich habe die Kleider für Ellen aufs Bett gelegt«, bemerkte Louise von ihrem Ende des ziemlich langen Tischs.
»Vielleicht bekommst du heute einen Brief, Hazel«, sagte Mrs. Fraser zu ihrer älteren Tochter, ohne Louise zu beachten.
Es konnte keinen Zweifel geben, was für ein Brief gemeint war.
»Wir brauchen im Badezimmer frische Seife«, fügte Louise hinzu.
»Die kann Ellen holen«, sagte Mrs. Frazer. »Hazel, ist heute dein Kliniktag?«
»Ja. Ich bin bis eins dort«, sagte sie.
»Ich weiß gar nicht, ob das der Operationstag deines Vaters ist«, sagte Mrs. Fraser.
»Ich kann meinen rehbraunen Schal nicht finden«, sagte Louise.
»Vielleicht hast du ihn gestern auf dem Heimweg vom Einkaufen verloren«, meinte Hazel.
»Oh, hoffentlich nicht«, sagte Louise. »Es ist einer meiner Lieblingsschals.«
Obwohl Innes durch dieses familiäre Hin und Her, wenn auch unbeabsichtigt, in das häusliche Leben der Familie Fraser einbezogen wurde, hielt er den Moment nicht für geeignet, seine Wäsche oder seine Suche nach einem Schneider zu erwähnen.
Wieder ging die Tür auf, und Dr. Fraser, in Stehkragen und Binder, marschierte aufgeräumt ins Zimmer. »Morgen, Finch«, sagte er, sich energisch die Hände reibend. »Frisch draußen. Gut für den Teint und für die Lunge.«
Dr. Frasers Wangen waren rosig gefärbt, und seine Nase tropfte. Körperliche Ertüchtigung am frühen Morgen war Innes gar nicht in den Sinn gekommen.
»Sechs Kilometer«, verkündete Dr. Fraser, während er, seinen Schnurrbart zwirbelnd, das Angebot auf der Kredenz begutachtete. »Sie haben einen warmen Mantel, nehme ich an«, fügte er hinzu, als wäre außer ihm und Innes niemand zugegen.
»Einigermaßen warm«, antwortete Innes.
»Gut. Wir gehen natürlich zu Fuß zum Krankenhaus.«
Dr. Fraser nahm seinen Platz am Kopf des Tisches ein. »Neue Verletzte aus Frankreich«, fügte er mit befremdlichem Behagen hinzu, anscheinend ohne eine Erinnerung daran, daß er dieselbe Bemerkung am Abend zuvor schon einmal gemacht hatte. Aber am hellen Tag besaßen die Worte weniger Macht; es kroch kein tückisches Gas über den Tisch. Hazel aß ruhig ein Stück Toast. Vielleicht war sie durch ihre Gedanken an einen Brief geschützt.
Eine gewaltige, von einem Feuerkamm gekrönte Rauchwolke stieg über dem Fensterbrett auf.
»Da brennt es«, sagte Innes, halb aufstehend.
Dr. Fraser drehte sich auf seinem Stuhl. »Was um Gottes willen –?«
Innes eilte zu einem der vier Bogenfenster. »Es hat anscheinend im Hafen einen Zusammenstoß gegeben«, rief er.
»Du meine Güte«, sagte Dr. Fraser, als er neben Innes trat.
Der Rauch war schwarz und dick, von Flammen durchzüngelt. Im Hafenwasser waren zwei große Schiffe ineinander verkeilt.
»Der Qualm ist ölig«, sagte Dr. Fraser. »Phyllis, wo ist mein Feldstecher?«
»In der Bibliothek.«
»Ich hole ihn«, sagte Hazel. Innes wandte rechtzeitig den Kopf, um sie aufstehen und zur Schwingtür gehen zu sehen. Sie war
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