Eine Hochzeit wie im Maerchen
versuchte, eine Stelle zu finden, auf der sie möglichst angenehm liegen konnte. Eine müßige Suche, denn am angenehmsten wäre es natürlich in seinen Armen … Leicht gereizt fuhr sie fort: „Da wir beide offensichtlich nicht schlafen können, kannst du mir ebenso gut etwas darüber erzählen.“
„Erstaunlich, dass du noch nichts davon gehört hast. Aber vielleicht liest du keine Klatschgeschichten?“
„Doch, ein Mal“, gestand sie. „Den ‚Snitch‘. Aber als Papa dahintergekommen ist, wurde er wütend und ließ das Blättchen verschwinden. Das war mein einziger Versuch.“
„Aha! Deshalb weißt du nichts davon.“ Da er eine ganze Weile schwieg, fürchtete Ariana schon, er würde nicht weitersprechen. Auch dafür hätte sie Verständnis aufgebracht, schließlich hatte auch sie ein Geheimnis, von dem er nichts wusste. Doch dann fuhr er fort: „In unserer Familie gibt es eine merkwürdige Überlieferung. Wenn man so will, ein Märchen, aber nicht unbedingt für kleine Kinder.“
„Aber einige Familienmitglieder halten es für real?“
„Genau. Es wird ‚das Inferno‘ genannt.“
Was für ein gelungenes Wortspiel! „Das Dante’sche Inferno? Gefällt mir. Was ist es genau? Und wer glaubt alles daran?“
„Fast alle“, gab Lazz widerwillig zu. „Von meinen Cousins weiß ich es nicht, aber alle meine Brüder behaupten, es erlebt zu haben. Primo und Nonna glauben, dass auch wir beide deswegen geheiratet haben. Auf jeden Fall sollten wir sie in dem Glauben lassen.“
„Ich nehme an, dass du nicht daran glaubst?“
„Sehr richtig.“
„Trotzdem möchtest du, dass wir so tun, als stünden wir unter seinem Einfluss?“
„Genau.“
Mit dem Daumen rieb sich Ariana die Mitte ihrer Handfläche, wo sie die elektrische Entladung zuerst verspürt hatte. Noch immer fühlte sich die Stelle warm und prickelnd an.
Lazz hat unrecht, dachte sie, es stimmt nicht, dass das „nichts“ war. Vielleicht ist es ein Anzeichen des Infernos, auch wenn er es bestreitet. Das würde einiges erklären …
„Wie kann ich so tun, als würde ich das Inferno erleben, wenn ich nicht mal weiß, was es ist?“, fragte sie mit einem Anflug der sonst für Lazz typischen Logik. „Deine Großeltern erwarten sicher, dass ich darüber Bescheid weiß.“
„Stimmt. Daran habe ich noch gar nicht gedacht“, meinte er und drehte sich ihr zu. In der Dunkelheit konnte sie zwar seinen Gesichtsausdruck nicht wahrnehmen, aber seinen Atem und die Konturen seines Körpers, die sich unter der Bettdecke abzeichneten. Dinge, die kaum einer Frau entgehen würden.
„Es ist eine Art Verbindung …“, begann er zögernd. „Ein Band, wenn man so will. Meine Brüder sind der felsenfesten Überzeugung, dass sie es gespürt haben, als sie zum ersten Mal die Frau fürs Leben berührten.“
Plötzlich verstand Ariana und hielt den Atem an. „Und behaupten sie auch, dass es sich so ähnlich wie ein elektrischer Schlag angefühlt hat?“
„Ja“, räumte er ein. „Glaubt man ihnen, dann waren sie auf der Stelle so von Leidenschaft überwältigt, dass sie nicht mehr klar denken konnten.“
„Ganz anders als wir in der Kirche. Du warst während des Kusses vollkommen selbstbeherrscht, stimmt’s?“, fragte sie mit leisem Spott in der Stimme.
Sie konnte förmlich hören, wie er mit den Zähnen knirschte. „Du bist eine schöne Frau. Da ist es nur natürlich, dass ich mich körperlich zu dir hingezogen fühle. Mit dem Inferno hat das nichts zu tun. Das gehört ins Reich der Fantasie.“
„Ist das Inferno nicht real? Oder hältst du dich für zu vernünftig, es zu erleben?“
„Es ist nicht real. Und ich bin ein Vernunftmensch. Und damit basta.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Bei dem, was meine Brüder empfinden, kann es sich nur um Begierde handeln. Der Begriff ‚Inferno‘ gefällt ihnen, weil er geheimnisvoll klingt. Meiner Meinung nach umschreibt er Empfindungen, die mehr körperlicher als romantischer Natur sind.“
Irgendetwas an seiner Ansicht stimmte nicht. „Dann erklär mir mal bitte, was wir bei unserer ersten Berührung gespürt haben. Oder hast du etwa nichts gemerkt?“
„Schon. Aber mit diesem lächerlichen Infernomärchen hat das nichts zu tun.“
„Bestreitest du es, weil du das Inferno mit Caitlyn durchgemacht hast? Glaubst du deswegen, es mit keiner anderen Frau erleben zu können?“
„Es passiert einem nur mit einer Frau. Mir kam es so vor, als hätte ich in Caitlyns Nähe so etwas
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