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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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geklungen, was für sie nur bedeuten konnte, dass er sich keineswegs so sicher war. Und trotzdem hatte er angehalten, weil Ataba kaum noch Luft bekam. Er ist ehrlich besorgt um den alten Mann, dachte sie. Ein Dämon würde nie…
    Es krachte… Die umstürzenden Knochen erreichten den Stein und kamen zur Ruhe.
    Alle bis auf einen.
    Wahrscheinlich war es eine Rippe, dachte sie später. Sie wurde beim Aufprall gegen den Stein hochkatapultiert, flog wie ein Lachs durch die Luft und traf den Schädel des Großvaters, der auf dem Stein hockte. Der geriet ins Schwanken, kippte um und fiel auf das Skelett auf der anderen Seite des Steins, das daraufhin ebenfalls umfiel.
    Und so weiter. Wie eine Reihe Dominosteine. Klack, klack, klack… Hier verlief der Boden flacher, und die Knochen rollten schneller. Warum hatte sie damit nicht gerechnet? Die Großväter hockten seit Ewigkeiten in dieser muffigen Höhle. Sie wollten nach draußen!
    Daphne rannte hinter den Männern her, bevor die Staubwolke sie verschlingen konnte. Sie hatte einmal gehört, dass man mit jedem Atemzug ein winziges Stückchen von jedem Menschen in sich aufnahm, der jemals gelebt hat, aber sie hatte nicht vor, alles auf einmal einzuatmen.
    »Lauft weiter!«, schrie sie.
    Die Männer hatten sich bereits zu ihr umgedreht. Daphne packte den freien Arm des alten Mannes und benutzte ihn dazu, Mau hinter sich herzuziehen. Der Höhleneingang war wieder als kleiner, weißer Punkt zu erkennen, noch weit entfernt, und schon nach wenigen Schritten stöhnte Ataba.
    »Lass die Lampen hier«, keuchte Mau. »Wir brauchen sie nicht mehr. Ich werde ihn tragen!«
    Er hob den Priester auf und warf ihn sich über die Schulter. Sie rannten weiter. Der helle Punkt schien überhaupt nicht größer zu werden, doch keiner blickte zurück. Es hätte auch keinen Sinn gehabt. Sie konnten ohnehin nicht mehr tun, als auf den Fleck Tageslicht zuzuhalten und zu rennen, bis ihre Beine schrien.
    Die beiden hatten nur Augen für die Götterstatuen gehabt, dachte Daphne, um sich von dem abzulenken, was hinter ihnen einen solchen Lärm machte. Sie hätten sich lieber die Wände ansehen sollen! Allerdings hätten sie natürlich gar nicht gewusst, was sie da sahen! Welch ein Glück, dass ich hier bin… in gewisser Weise.
    Etwas knirschte unter ihren Füßen. Sie riskierte einen kurzen Blick nach unten, und ein kleines Knochenstück sprang an ihr vorbei.
    »Sie sind direkt hinter uns!«
    »Ich weiß«, sagte Mau. »Lauf schneller!«
    »Ich kann nicht! Der Staub wird mich ersticken!«
    »Geschieht nicht! Gib mir deine Hand!«
    Mau verlagerte das Gewicht des alten Priesters auf seinem Rücken und griff nach ihrer Hand, wodurch er sie fast von den Beinen gerissen hätte. Maus Füße stampften über den Fels, als würden sie von Dampf angetrieben. Daphne hingegen konnte sich nur immer wieder vom Boden abstoßen, wenn er ihr zu nahe kam, damit sie nicht einfach mitgeschleift wurde.
    Endlich kam der Kreis aus Tageslicht näher, und nachdem er so lange so winzig gewesen war, wurde er nun schnell größer.
    Der uralte Staub brannte auf der Haut und kratzte in der Kehle, als er plötzlich über ihren Köpfen hinwegschoss und sie vom Tageslicht abschnitt.
    … dann brachen sie durch die Wolke und stürmten hinaus ins Licht der untergehenden Sonne, das nach der Düsternis des Tunnels übermäßig hell wirkte. Es blendete sie so stark, dass Daphne glaubte, in ein Meer aus Weiß zu fallen, das an die Stelle der Welt getreten war. Auch Mau konnte offenbar nichts mehr sehen, denn er hatte sie losgelassen. Ihr blieb nur noch, die Arme um den Kopf zu legen und darauf zu hoffen, dass sie weich landete. Sie stolperte und schlug der Länge nach hin, während der Staub der Großväter nach vielen tausend Jahren endlich die Freiheit erlangte und vom Wind über den Berg davongetragen wurde.
    Es wäre nett gewesen, wenn sie tausend leise Stimmen gehört hätte, die in der Ferne verhallten, als die Wolke im Wind verflog, aber zu ihrem Bedauern geschah das nicht. Die Wirklichkeit war oft so enttäuschend, wenn es um kleine Details ging, die einfach gut gepasst hätten, dachte sie. Dafür hörte sie jetzt Menschen, und allmählich kehrte ihr Sehvermögen zurück. Immerhin konnte sie schon den Boden vor ihrem Gesicht erkennen, als sie sich vorsichtig hochstemmte.
    Das trockene, staubige Gras raschelte leise, und dann trat jemand in ihr Blickfeld.
    Es waren Stiefel! Große, derbe Stiefel mit dicken Schnürsenkeln, voller

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