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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ihn kannten, blieben jedoch vorsichtig. Cox ernährte sich gewissermaßen von Unfrieden, und wenn man nicht sofort durchschaute, was er im Schilde führte, konnte es nur etwas richtig Böses sein.
    Wenn Cox nichts anderes zu tun hatte, schoss er auf alles Mögliche. Vögel, fliegende Fische, Affen, einfach alles. Eines Tages landete ein großer Schmetterling, der von einer Insel heran geweht worden war, auf dem Deck. Cox zerschoss ihn so gezielt, dass nur noch zwei Flügel übrig blieben, und dann zwinkerte er Daphne zu, als hätte er etwas sehr Gewitztes getan. Er erinnerte sie an ihren Vetter Botney, der keinen Frosch unzerquetscht ließ, kein Kätzchen ungetreten, keine Spinne ungeplättet. Zu guter Letzt hatte sie ihm unter dem Schaukelpferd versehentlich zwei Finger gebrochen und ihm gedroht, sie würde Wespen in seine Hosen stecken, wenn er sie nicht in Ruhe ließ, und als die Leute angelaufen kamen, war sie einfach in Tränen ausgebrochen. Wenn man einer uralten Kriegerfamilie entstammte, ließ es sich kaum vermeiden, dass einem zumindest ein Hauch von Rücksichtslosigkeit mit in die Wiege gelegt worden war.
    Bedauerlicherweise hatte es nie jemanden gegeben, der Cox’ Schritte auf den rechten Pfad gelenkt und seinen fingern einen Gipsverband verpasst hätte. Doch einige Besatzungsmitglieder raunten einander zu, dass er sich vielleicht geändert haben könnte. Er schoss zwar weiterhin wild drauflos, aber zu den Gebetsstunden stand er immer in der ersten Reihe und beobachtete den alten Roberts, wie ein Biologe einen seltenen Käfer studierte. Cox schien vom Captain geradezu fasziniert zu sein.
    Auch wenn Captain Roberts die Absicht verfolgen mochte, Cox’ Seele vor dem Feuer der ewigen Verdammnis zu retten, hasste er diesen Mann dennoch zutiefst, und daraus machte er auch keinen Hehl. Das schmeckte Cox überhaupt nicht, aber einen Captain zu erschießen, erregte für seinen Geschmack wohl doch etwas zu viel Aufsehen, also musste er sich – wie Cookie vermutete – dafür entschieden haben, den Captain mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und ihn von innen zu zerstören.
    Cox schoss auf andere Wesen, weil sie lebten, aber eigentlich wollte er nur die Zeit totschlagen. Mit dem Captain verfolgte er einen größeren Plan. Er wollte ihn mit einem gezielten Schuss mitten in seinem Glauben treffen.
    Es begann damit, dass Cox während der Gebete kerzengerade dasaß und jedes Mal »Halleluja« oder »Amen« rief und laut klatschte, wenn der Captain einen Satz beendet hatte. Oder er stellte Fragen wie »Womit haben sie auf der Arche die Tiger und Löwen gefüttert?« oder »Wohin ist das viele Wasser verschwunden?«. Dann kam der Tag, als er Cookie aufforderte, für die gesamte Besatzung eine Mahlzeit aus fünf Brotlaiben und zwei Fischen zuzubereiten. Als der Captain daraufhin sagte, dass man diese Geschichte nicht wörtlich nehmen durfte, salutierte Cox ihm vorbildlich und erwiderte: »Wie denn dann, Capt’n?«
    Es kam jedoch noch schlimmer. Der Captain wurde mäkelig.
    Die Männer, die schon sehr lange in seiner Mannschaft waren, sagten, er wäre ein anständiger Kerl und sie hätten ihn noch nie zuvor mäkelig erlebt. Jeder litt unter einem griesgrämigen Captain, der ständig etwas auszusetzen hatte und jeden Tag zu einer lästigen Pflicht werden ließ. Daphne verbrachte sehr viel Zeit in ihrer Kabine.
    Und dann war da noch der Papagei. Niemand wusste genau, wer dem Vogel das erste Schimpfwort beigebracht hatte, obwohl der unsichere Finger des Verdachts auf Cox zeigte. Doch zu diesem Zeitpunkt war bereits die gesamte Mannschaft grantig und gereizt. Cox hatte ein paar Anhänger, und der Captain hatte seine eigenen treuen Verbündeten. Es kam zu Raufereien, und immer wieder wurden Sachen gestohlen, Kleinigkeiten.
    Doch nach Cookies Aussage war das verhängnisvoll, denn nichts zerriss eine Besatzung mehr als die Vorstellung, ständig sein persönliches Hab und Gut bewachen zu müssen. Er sagte voraus, dass schon bald der Tag der Verdammnis und der Abrechnung kommen würde. Wahrscheinlich eher die Verdammnis, wie er hinzufügte.
    Und am nächsten Tag erschoss Cox den alten Mann im Kanu.
    Daphne hätte gern berichtet, dass alle Mann an Bord über diesen Mord empört waren, und in gewisser Weise stimmte das auch, aber viele der Männer machten sich weniger Sorgen um die Unantastbarkeit einer Seele als über die Möglichkeit, dass der alte Mann Verwandte in der Nähe haben könnte, die vielleicht mit schnellen Kanus

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