Eine Insel
fremden Sprache die richtigen Worte zu finden, aber die ratlosen Mienen waren ihr nicht entgangen.
Pilu erzählte die ganze Geschichte einfach noch einmal, jedoch unter Einsatz seiner schauspielerischen Fähigkeiten. Captain Roberts war für sie deutlich zu erkennen, wenn er schwer und eindrucksvoll auftrat, und die Figur, die verstohlen umherschlich, konnte nur Polegrave sein, während Cox stampfte und brüllte. Die ganze Zeit schrien sie einander an, während Pilus Finger die Pistolen mimten, und irgendwo in der Luft zwischen Pilu und seinen Zuhörern nahm die Geschichte Gestalt an. Eine zusätzliche Prise von manischem Realismus steuerte der Papagei bei, der hektisch in der Krone einer Kokospalme herumhüpfte und Sachen wie »Und was ist mit Darwin? Rraa!« krächzte.
Pilus Übersetzung hinkte hinter Daphnes Erzählung hinterher, und als es um den Mord an dem alten Mann ging, musste er sich hilfesuchend an sie wenden.
»Hat er den Mann im Kanu getötet, weil er kein Hosenmann war?«
Darauf war sie vorbereitet. »Nein. Der Mann, den ich get… dieser Foxlip hätte so etwas bestimmt getan, aber ich glaube, Cox hat den Mann im Kanu allein deshalb erschossen, weil er gerade nichts anderes fand, worauf er hätte schießen können.«
»Äh… ich glaube, ich hab da was nicht so ganz…«, begann Pilu.
»Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber du hast mich schon richtig verstanden.«
»Er tötet für Locaha und sammelt damit Ruhm und Ehre, so wie die Räuber?«
»Nein. Nur weil er es so will.«
Pilu sah sie an, als bezweifelte er, diese Erklärung den anderen verständlich machen zu können. Und so war es auch. Ganz offensichtlich ergab es für niemanden einen Sinn.
Beharrlich setzte er noch ein paar Sätze hinzu und wandte sich dann wieder an Daphne. »Keine Delfine«, sagte er. »Kein Seefahrer würde einen Delfin töten. Du musst dich Irren.«
»Nein. Das hat er wirklich getan.«
»Aber damit hat er eine Seele getötet«, sagte Pilu. »Wenn wir sterben, werden wir zu Delfinen, bis es für uns an der Zeit ist, als Menschen wiedergeboren zu werden. Wer würde denn einen Delfin töten?« Tränen der Wut und Verwirrung liefen ihm übers Gesicht.
»Es tut mir leid, aber Cox hat es getan. Und auch Foxlip hat auf Delfine geschossen.«
»Warum?«
»Um wie Cox zu sein, glaube ich. Um irgendwie ein großer Mann zu sein.«
»Ein großer Mann?«
»Wie die Schiffshalterfische. Äh, ich glaube, ihr nennt sie Saugfische. Sie schwimmen mit den Haien. Vielleicht stellen sie sich gerne vor, selbst ein Hai zu sein.«
»So etwas würden nicht einmal die Räuber tun, und die verehren Locaha! Das ist unfassbar!«
»Ich habe es gesehen. Und Captain Roberts hat es im Logbuch notiert. Ich kann es euch zeigen.« Zu spät erinnerte sie sich daran, dass Pilu eigentlich gar nicht lesen konnte, sondern nur erkannte, ob es Schriftzeichen waren, wenn man sie ihm vor die Nase hielt. Seine Miene war eine einzige Bitte um Hilfe, also suchte sie für ihn die richtige Seite heraus: Gegen jeden Anstand und die allgemein gültigen Gesetze des Meeres haben Cox und seine Kumpane erneut ihre Pistolen auf Delfine abgefeuert.
Möge Gott ihm vergeben, was vermutlich kein rechtschaffener Seemann tun würde. Ich hege sogar den Verdacht, dass in diesem Fall selbst die Gnade des Allmächtigen auf eine schwere Probe gestellt wird!
Sie las den Eintrag vor. Die Leute im Kreis wurden unruhig. Es wurde laut geflüstert, aber sie konnte nichts verstehen. Dennoch schien es ihr, als stünde eine Übereinkunft kurz bevor.
Durch den Kreis lief ein Flüstern und Nicken in entgegengesetzte Richtungen und endete schließlich bei Mau, der gezwungen lächelte.
»Diese Männer würden einen braunen Mann ohne Grund erschießen«, sagte er. »Und sie haben auch auf Delfine geschossen, die selbst von den Hosenmenschen verehrt werden. Du konntest in ihre Köpfe sehen, Geistermädchen. Nicht wahr? Du hast gesehen, was sie dachten.«
Daphne konnte ihm nicht in die Augen blicken. »Ja«, sagte sie.
»Wilde sind wir für sie. So etwas wie Tiere. Bimbos.«
»Ja.«
Sie wagte es immer noch nicht, den Blick zu heben, aus Angst davor, seinem zu begegnen. Sie erinnerte sich noch allzu gut daran, dass sie selbst den Abzug gedrückt hatte, damals, an jenem ersten Tag. Und er hatte sich auch noch für das Feuer bedankt.
»Als das Geistermädchen mir zum ersten Mal begegnete…«, begann Mau.
O nein, er wird es ihnen doch nicht etwa erzählen, oder?, dachte sie. Das
Weitere Kostenlose Bücher