Eine Insel
rief, aber hoch über ihm schlugen vier Kugeln ins Wasser. Für einen Moment hinterließen sie Streifen aus Luftblasen und wurden dann von der Strömung fortgewirbelt.
Sechs Schüsse. Jetzt hatte er nur noch die kleine Pistole.
Nein, Cox würde nachladen. Und dazu brauchte er beide Hände. Eine Tatsache.
Dann kamen weitere Tatsachen, eine nach der anderen, die sich alle sorgfältig zusammenfügten wie kleine, graue Steinblöcke.
Mau stieß sich vom Boden ab, zog die Axt hinter sich her und stieg schnell auf. Mit der freien Hand packte er den Stumpf eines abgebrochenen Astes, stellte den Fuß auf einen anderen, und während seine Lungen in Flammen standen, ließ er den ganzen Schwung seines Aufstiegs und alle Kraft, die noch in seinem Körper war, in seinen Arm fließen.
Die Axt kam in einem weiten Bogen aus dem Wasser – sie bewegte sich im Raum, jedoch nicht in der Zeit –, Wassertröpfchen hingen in der Luft und markierten ihren Weg. Sie verfinsterte das Sonnenlicht und ließ die Sterne aufblitzen, sie löste rund um die Welt Gewitterstürme und seltsame Sonnenaufgänge aus (jedenfalls erzählte Pilu es später so) und als die Zeit mit doppelter Geschwindigkeit wieder einsetzte, schlug die Axt in Cox’ Brust, und der Mann stürzte rückwärts vom Baumstamm.
Als er unterging, sah Mau, wie er noch die Pistole hob, doch dann verzog sich seine Miene zu einem gewaltigen Grinsen von Blut, und er wurde ins schäumende Wasser gezogen.
Die Haie hatten sich zum Abendessen eingefunden.
Mau lag flach auf dem Baumstamm, bis sich das Wasser wieder beruhigt hatte. Und die kleinen, weißen Gedanken, die sich auf das Rot seiner schmerzenden Lungen kritzelten, sagten: Das war eine richtig gute Axt. Ob ich sie wohl noch einmal wiederfinden werde?
Er stemmte sich hoch, bis auf die Knie, und blinzelte, wusste nicht so recht, wer er war. Und dann blickte er nach unten und sah den grauen Schatten.
Jetzt werde ich eine Weile in deinen Fußstapfen wandeln, sagte eine Stimme knapp über seinem Kopf.
Mau rappelte sich auf, kein Gedanke in seinem Kopf war unversehrt geblieben. Er lief zum anderen Ende des Baumstamms und trat auf den Pfad, der über die Korallentrümmer führte. Die Luft um ihn herum war von Grau erfüllt, und links und rechts von sich spürte er den sanften Flügelschlag Locahas. Er hatte das Gefühl, als wäre er aus… Metall – hart, scharf und kalt.
Sie erreichten das erste der großen Kriegskanus, und Mau ging an Bord. Die wenigen Krieger, die noch nicht ins Wasser gesprungen waren, fielen eingeschüchtert auf die Knie. Er blickte ihnen in die Augen.
»
Sie können mich sehen. Sie verehren mich
«, sagte Locaha.
Der Glaube ist etwas, das nur schwer zu glauben ist, nicht wahr?
»
Jetzt, in diesem Moment unter diesen Sternen hast du die Gabe. Du kannst sie mit einer Berührung töten, mit einem Wort, oder indem du sie mit deinem Schatten streifst. Du hast es dir verdient. Sag mir, wie sie sterben sollen.
«
»Bringt eure Gefangenen ans Ufer und lasst sie dort zurück«, sagte Mau zu dem Mann, der ihm am nächsten stand. »Gib diesen Befehl weiter, und dann verschwindet von hier. Wenn ihr bleibt, werde ich meine Flügel über euch schließen.«
»
Das ist alles?
«, fragte Locaha.
Als Mau sich umdrehte und zu den Korallen ging, fügten sich die Gedanken in der Kühle seines Geistes wieder zusammen.
»Ja«, sagte er. »Das ist alles.«
»
Ich hätte anders gehandelt
«, sagte die Stimme des Todes.
»Aber ich nicht, Locaha. Ich bin nicht du. Ich habe die Wahl.«
Mau trottete weiter, in Schweigen und graue Schatten gehüllt.
»
Dieser Tag hat sich für dich gelohnt
«, sagte die Stimme von Locaha.
Mau sagte immer noch nichts. Auf den Schiffen der Räuberhorde hinter ihnen herrschte hektisches Treiben. Jetzt gibt es so viele neue Mäuler zu stopfen, dachte er. Es ist so viel zu tun. Immer ist so viel zu tun.
»
Ich bin nur selten überrascht
«, sagte Locaha, »
doch du irrst dich.
«
»
Unter diesen Umständen habe ich die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten…
«
Der Sand unter Maus Füßen wurde schwarz, und er war von Dunkelheit umgeben. Vor ihm jedoch lag ein Pfad aus glitzernden Sternen.
Mau blieb stehen und sagte: »Nein. Nicht noch eine Falle.«
»
Aber dies ist der Weg in die vollkommene Welt!
«, sagte Locaha.
»
Nur sehr wenige haben diesen Pfad gesehen.
«
Mau drehte sich um.
»Ich glaube, falls Imo eine vollkommene Welt will, wird er sie hier unten wollen.«
Er konnte den
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