Eine Insel
Strand um sich herum noch sehen, aber undeutlich, wie hinter einer Wand aus dunklem Wasser.
»
Diese? Die ist weit von jeglicher Vollkommenheit entfernt!
«, sagte Locaha.
»Heute ist sie ein klein wenig vollkommener geworden. Und es wird noch weitere Tage geben.«
»
Du willst wirklich umkehren?
«, fragte Locaha. »
Eine zweite Chance gibt es nicht – es gibt überhaupt keine Chancen. Es gibt nur das… was geschieht.
«
»Und das, was nicht geschieht?«, fragte Mau.
»
Das? Auch das geschieht, irgendwo anders. Alles, was geschehen kann, muss geschehen, und alles, was geschehen kann, muss eine Welt haben, in der es geschieht. Darum baut Imo so viele Welten, dass es nicht genug Zahlen gibt, mit denen man sie zählen könnte. Darum glüht Sein Feuer so rot. Auf Wiedersehen, Mau. Ich freue mich schon auf unsere nächste Begegnung. Du stellst ganze Welten auf den Kopf… Ach ja,
eines noch. Diese anderen, die ich erwähnte, denen ich den glitzernden Pfad zeigte – sie alle haben dasselbe gesagt wie du. Sie erkannten, dass die vollkommene Welt kein Ort, sondern eine Reise ist. Ich habe keine Wahl, aber ich bin gut darin, sie zu treffen.
«
Das Grau verblasste und versuchte, Erinnerungen mitzunehmen. Doch Maus Geist hielt daran fest, als sie davonflossen.
Dann verschwand die graue Barriere, und das Licht war wieder voller Farben.
Er lebte, und das war eine Tatsache. Das Geistermädchen rannte mit ausgestreckten Armen über den Strand, und auch das war eine Tatsache. Seine Beine fühlten sich seltsam und schwach an, und das war eine Tatsache, die zusehends immer tatsächlicher wurde. Doch als sie ihn festhielt, während sie gemeinsam beim Entladen der tragischen Fracht zusahen und sich nicht rührten, bis das letzte Kriegskanu zu einem winzigen Punkt am endlosen Horizont geworden war… war das eine Tatsache so groß wie die Nation.
15
Die Welt steht Kopf
Mau erwachte. Eine fremde Frau löffelte ihm Schleimsuppe in den Mund. Als sie sah, wie sich seine Augen öffneten, stieß sie einen kurzen Schrei aus, küsste ihn auf die Stirn und rannte aus der Hütte. Mau ließ sich zurücksinken und starrte zur Decke, während seine Erinnerungen langsam zurückkamen. Manches war etwas verschwommen, aber der Baum und die Axt und der sterbende Cox waren so klar und deutlich wie der kleine Gecko, der ihn kopfüber von oben betrachtete. Doch es war, als würde er jemand anderen betrachten, der sich ein Stück vor ihm befand. Es war eine andere Person, und diese Person war er…
Er fragte sich, ob…
»Geschieht nicht!« Der Schrei zuckte wie ein Blitz durch seinen Kopf, weil er aus einem Schnabel kam, der nur eine Handspanne von seinem Ohr entfernt war. »Zeig uns deinen« – dann murmelte der Papagei leise vor sich hin, bis er fast mürrisch fortfuhr – »Unterrock!«
»Ah, sehr gut. Wie geht es dir?«, sagte das Geistermädchen und trat ein.
Mau fuhr hoch. »Du bist von oben bis unten voller Blut!«
»Ja, ich weiß. Und damit wäre auch meine letzte gute Bluse ruiniert«, sagte Daphne. »Aber dafür geht es ihm jetzt schon viel besser. Eigentlich bin ich sogar ziemlich stolz auf mich. Ich musste einem Mann das Bein unter dem Knie absägen! Und ich habe die Wunde mit heißem Teer versiegelt, genau wie es im Handbuch steht!«
»Tut das nicht weh?«, sagte Mau und legte sich wieder auf die Matte. Das Sitzen hatte ihn schwindlig gemacht.
»Nicht, wenn man den Teereimer am Henkel hält.« Sie bemerkte seinen verständnislosen Gesichtsausdruck.
»Entschuldigung, das sollte ein Witz sein. Ich danke den Göttern für Mrs. Glucker. Sie kann jeden schlafen lassen, ganz gleich, was man mit ihm anstellt. Auf jeden Fall glaube ich, dass der Mann überleben wird, was er mit dieser schrecklichen Wunde wohl nicht geschafft hätte. Und heute früh musste ich einen Fuß abtrennen. Der war schon ganz… na ja, es war ziemlich schlimm. Sie haben ihre Gefangenen sehr schlecht behandelt.«
»Und du hast ihnen die faulen Stücke abgeschnitten?«
»Das nennt sich Chirurgie, danke der Nachfrage. Es ist gar nicht so schwierig, wenn ich jemanden finde, der das Handbuch auf der richtigen Seite aufgeschlagen halten kann.« »Nein! Nein, ich glaube nicht, dass es falsch ist«, sagte Mau hastig. »Es ist nur… dass du so etwas tust. Ich dachte, du könntest es nicht ertragen, Blut zu sehen.«
»Deshalb versuche ich, die Blutungen zu stillen. Ich kann etwas dagegen tun! Komm jetzt, probier mal, dich aufzusetzen.«
Sie legte die Arme um
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