Eine Insel
mit Funken machen konnte.
»Danke für dieses Feuergeschenk«, sagte er und hob seine Keule auf. Dann lief er eilig davon, bevor das Mädchen ihm noch irgend etwas antun konnte.
Zwischen den Trümmern am Strand beugte sich Mau über seine Arbeit. Der Ast mit dem Zunderholz war erst der Anfang.
Zuvor hatte er den Wald nach trockenen Zweigen und Rindenstücken abgesucht – davon gab es immer welche, selbst nach einem heftigen Regen – und dann alles ordentlich sortiert, von feinem Gras bis zu grobem Holz. Er hatte sich ein kleines Häufchen aus zerriebenen getrockneten Papierreben und Zunder zurechtgelegt, und nun hob er sehr vorsichtig den Funkenmacher auf. Wenn man das Metallstück auf der Oberseite zurückzog, bis es klickte, und dann das Teil an der Unterseite drückte, wobei man – zumindest beim zweiten Versuch – seine Finger aus dem Weg nehmen sollte, dann kratzte eine Art Metallkralle über einen grauen Stein, und Funken wurden geboren.
Er versuchte es gleich noch einmal und hielt den Funkenmacher genau über den Zunderhaufen. Mit angehaltenem Atem beobachtete er, wie ein paar Funken auf den feinen Staub fielen, der an diesen Stellen schwarz wurde.
Sanft pustete Mau in den Haufen, den er mit den Händen schützte, und ein winziger Rauchfaden stieg auf. Er blies stetig weiter, bis eine kleine Flamme knisternd zum Leben erwachte.
Jetzt kam der schwierige Teil. Er musste die Flamme ganz behutsam füttern und sie zuerst mit Gras und Rinde locken, bis sie stark genug für den ersten Zweig geworden war. Dabei musste er äußerst vorsichtig sein, weil sich das Feuer sehr leicht verschrecken ließ. Erst als es knisterte und zischte und spuckte, versuchte er es mit einem dünnen Ast. Dann kam ein kritischer Moment, in dem die Flammen daran zu ersticken schienen.
Doch wenig später kehrten sie umso kräftiger zurück und verlangten bald nach mehr. An Brennstoff herrschte jedenfalls kein Mangel. Überall lag zerbrochenes Holz herum. Er schleppte die Äste zum Feuer, wo sie platzten, sobald die Hitze das Wasser darin zum Kochen brachte. Mau legte immer weiter Holz auf, bis Funken und Rauch in die Dunkelheit emporstiegen. Schatten sprangen wild über den Strand, so dass es den Anschein hatte, als gäbe es noch Leben auf der Insel.
Nach einer Weile grub er am Rand des Feuers ein Loch, warf die Wahnwurzeln hinein, bedeckte sie mit einer dünnen Schicht Sand und schob glühende Kohlestücke darüber.
Dann lehnte er sich zurück. Wann hatte er das letzte Mal zu Hause an einem Lagerfeuer gesessen? Die Erinnerung daran überwältigte ihn, bevor er sie aufhalten konnte. Es war bei seinem letzten Mahl als Junge. Seine ganze Familie war dabei gewesen, was in der Nation bedeutete, dass früher oder später alle gekommen waren. Es war sein »letztes Mahl«, weil er seine nächste Mahlzeit auf der Insel erst wieder als Mann zu sich nehmen würde, wenn er nicht mehr in der Jungenhütte, sondern im Haus der unverheirateten Männer schlief. Vor Aufregung hatte er kaum etwas gegessen. Und schon gar nicht, nachdem ihm klar geworden war, dass es nicht allein um ihn ging. Es ging auch um seine Familie. Wenn er zurückkehrte und für die Tätowierungen eines Mannes bereit war und natürlich auch für die… Sache mit dem Messer, bei der man nicht schrie, dann wäre es auch für seine Verwandten ein Triumph. Es würde bedeuten, dass sie ihn gut erzogen und ihm die richtigen Dinge beigebracht hatten.
Das Feuer ließ tanzende Funken in die Nacht aufsteigen, und dann sah er sie alle im Feuerschein, wie sie ihn beobachteten, wie sie ihm zulächelten. Er schloss die Augen und versuchte, die lärmenden Erinnerungen in die Dunkelheit zurückzudrängen.
Hatte er einige von ihnen in den dunklen Strom geschickt, als er in den Fußstapfen Locahas gewandelt war? Vielleicht. Aber dazu gab es keine Erinnerung. Er hatte sich tief im grauen Körper von Locaha-Mau versteckt, während ein Teil von ihm hin und her gestapft war, tat, was getan werden musste, und dafür sorgte, dass die Toten zu Delfinen und nicht zu Futter für die Schweine wurden. Er hätte einen Bestattungsgesang angestimmt, aber man hatte ihm nie die Worte beigebracht. Stattdessen hatte er den Toten die Arme und Beine gerichtet, so gut es ihm möglich gewesen war. Vielleicht hatte er auch Gesichter gesehen, aber danach war dieser Teil von ihm gestorben. Er versuchte, sich an das Gesicht seiner Mutter zu erinnern, doch er sah nur dunkles Wasser. Aber er konnte ihre Stimme
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