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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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verändern. Das wurde Mau schnell klar. Eine Hose war zweifellos nützlich, wenn man in dornigem Unterholz jagte, und die Taschen, in denen man Sachen mit sich herumtragen konnte, waren wirklich eine geniale Idee. Doch nicht die Hosen bescherten den Hosenmenschen Metall und große Schiffe.
    Nein, das war die Werkzeugkiste. Vor Pilu hatte er nicht zugeben wollen, dass die Nation den Hosenmenschen in irgendetwas nachstehen könnte, aber die Werkzeugkiste hatte ihn zutiefst beeindruckt. Natürlich konnte jeder einen Hammer erfinden, aber diese Kiste enthielt wunderschöne und glänzende Dinge aus Holz und Metall, von denen nicht einmal Pilu wusste, wozu sie nütze waren. Und irgendwie sprachen diese Dinge zu Mau.
    Wir haben nie daran gedacht, eine Zange anzufertigen, weil wir nie eine brauchten. Bevor man also etwas Neues hervorbringen kann, muss man zuerst einen ganz neuen Gedanken haben. Das ist das Entscheidende. Wir brauchten keine neuen Dinge, also hatten wir auch keine neuen Gedanken.
    Jetzt brauchen wir neue Gedanken!
    »Lasst uns zu den anderen zurückgehen«, sagte er. »Aber diesmal nehmen wir das Werkzeug mit.« Er stapfte los und fiel vornüber. »Autsch, hier liegt ein großer Stein!«
    Pilu zog die ewig wuchernden Papierreben zur Seite, während Mau versuchte, wieder Leben in seinen Fuß zu kneten.
    »Ach so, das ist eine Kanone der Judy« , gab er bekannt. »Was ist eine Kanone?«, fragte Mau und musterte den langen, schwarzen Zylinder.
    Pilu erklärte es ihm.
    Die nächste Frage lautete: »Was ist Schießpulver?« Auch das erklärte Pilu ihm. Und plötzlich sah er wieder den Silberfaden, der zu einem Bild der Zukunft führte. Das Bild war etwas unscharf, aber die Kanone passte hinein. Mau fiel es zwar schwer, an Götter zu glauben, aber die Judy war eindeutig ein Geschenk der Welle. Sie gab ihnen, was sie brauchten – Nahrung, Werkzeug, Holz, Stein –, also brauchten sie vielleicht auch, was die Judy ihnen gab, selbst wenn sie es jetzt noch nicht wussten, selbst wenn sie es jetzt noch gar nicht haben wollten.
    Doch nun sollten sie sich allmählich auf den Rückweg machen.
    Jeder nahm einen Griff der Werkzeugkiste, die auch schon ohne Inhalt schwer genug gewesen wäre, und alle paar Minuten mussten sie eine Verschnaufpause einlegen, während Milo mit den Brettern vorbeimarschierte. Mau erholte sich, indem er tatsächlich verschnaufte, aber Pilu, indem er weiterplapperte. Er redete die ganze Zeit über alles Mögliche.
    Etwas hatte Mau inzwischen über die Brüder gelernt. Sie waren nicht der große, dumme Milo und der kleine, schlaue Pilu.
    Milo redete einfach nicht so viel, das war alles. Und wenn er dann etwas sagte, lohnte es sich auch, ihm zuzuhören. Pilu hingegen schwamm in Worten wie ein Fisch im Wasser, er zeichnete damit Bilder in die Luft, und er redete ununterbrochen.
    Irgendwann fragte Mau: »Denkst du manchmal an deine Sippe, Pilu? Was aus den Leuten geworden ist?«
    Zum ersten Mal wurde Pilu nachdenklicher. »Wir kamen zurück. Alle Hütten waren weg. Auch die Kanus. Wir hoffen, dass sie es zu einer der Steininseln geschafft haben. Sobald wir ausgeruht sind und das Baby gesund und kräftig, werden wir nach ihnen suchen. Ich hoffe, dass sich die Götter um sie gekümmert haben.«
    »Glaubst du daran?«, fragte Mau.
    »Wir haben immer die besten Fische zum Altar gebracht«, sagte Pilu mit tonloser Stimme.
    »Hier werden sie – ich meine, sie wurden – auf die Gottesanker gelegt«, sagte Mau. »Die Schweine haben sie gefressen.«
    »Ja gut, aber nur die Reste.«
    »Nein, ganze Fische«, entgegnete Mau.
    »Aber ihr Geist geht zu den Göttern«, sagte Pilu. Seine Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen, so als wollte er nicht weitersprechen, ohne jedoch das Gespräch wirklich abzubrechen.
    »Hast du das je beobachtet?«
    »Hör mal, ich weiß, du glaubst nicht daran, dass es Götter…«
    »Vielleicht gibt es sie ja. Ich will nur wissen, warum sie sich so verhalten, als gäbe es sie nicht – ich will eine Erklärung von ihnen!«
    »Es ist nun einmal geschehen«, sagte Pilu unglücklich. »Ich bin einfach nur dankbar, dass ich lebe.«
    »Dankbar? Wem?«
    »Dann sagen wir eben, ich bin froh. Froh, dass wir alle am Leben sind, und traurig, dass andere gestorben sind. Du bist wütend, aber wofür soll das gut sein?« Nun schwang in Pilus Stimme ein seltsames Knurren mit, wie von einem harmlosen kleinen Tier, das in die Enge getrieben worden war und damit drohte, sich heftig zu wehren.
    Mau

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