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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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weil sie a) nichts davon erfahren würde, es b) in Anbetracht der Umstände überaus vernünftig war und c) ihre Großmutter es wirklich nie erfahren würde.
    Sie hatte ihr Kleid und alles andere, bis auf einen Unterrock, ausgezogen. Nun war sie doch tatsächlich nur noch drei Kleidungsstücke von der völligen Nacktheit entfernt! Beziehungsweise vier, wenn man den Grasrock mitzählte.
    Die Unbekannte Frau hatte ihn für sie gemacht, sehr zur Freude von Cahle. Dazu hatte sie jede Menge von den seltsamen Ranken verwendet, die hier überall wucherten. Es schien eine Art Gras zu sein, das jedoch nicht nach oben wuchs, sondern sich wie eine endlose, grüne Zunge entrollte. Diese Ranken verhedderten sich mit anderen Pflanzen, zogen sich an den Bäumen hoch und drängten einfach überall hin. Nach Cahles recht anschaulicher Pantomime zu urteilen, konnte man daraus eine halbwegs schmackhafte Suppe machen oder sich mit dem Saft die Haare waschen, aber hauptsächlich wurde es zur Herstellung von Schnüren, Taschen oder Kleidung verwendet. Wie dieser Rock von der Unbekannten Frau. Daphne war klar, dass sie ihn unbedingt tragen musste, weil es eine große Leistung für die arme Frau gewesen war, ihr Baby aus einem anderen Grund wegzugeben, als es von Cahle stillen zu lassen. Und das war gut und musste unterstützt werden.
    Der Rock raschelte beim Gehen, und zwar auf äußerst irritierende Weise. Es klang wie ein rastloser Heuhaufen. Aber dafür drang eine wunderbar kühle Brise hindurch.
    Das musste es sein, was Großmutter als »sich verfremden« bezeichnete. Sie war der Ansicht, es sei ein Verbrechen, fremdländisch zu sein, oder zumindest eine Art Krankheit, die man sich einfangen konnte, wenn man zu lange der Sonne ausgesetzt war oder Oliven aß. »Sich verfremden« hieß nachgeben und zu einem von ihnen werden. Zum Schutz vor dem Verfremden musste man sich nur genauso verhalten wie zu Hause, und das beinhaltete, in schwerer Kleidung zum Abendessen zu erscheinen und gekochtes Fleisch und braune Suppe zu essen. Gemüse war ungesund, und Obst sollte man ebenfalls meiden, weil man »schließlich nicht weiß, wo es vorher war«. Das hatte Daphne schon immer verwirrt, denn wohin konnte eine Ananas schon gehen?
    Außerdem gab es doch das hübsche Sprichwort: Bist du in Rom, mach es wie die Römer. Aber ihre Großmutter würde wahrscheinlich behaupten, es bedeutete, in Blut zu baden, den Löwen Menschen zum Fraß vorzuwerfen und zum Tee Pfauenaugen zu essen.
    Aber das ist mir egal, dachte sie. Meuterei! Dennoch würde sie auf keinen Fall ihr Mieder oder ihre Pantalons oder ihre Strümpfe ausziehen. Es gab keinen Grund, völlig durchzudrehen. Gewisse Formen mussten einfach gewahrt werden.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie den letzten Gedanken mit der Stimme ihrer Großmutter gedacht hatte.
    »Ich finde, sie steht dir richtig gut«, sagte Pilu im unteren Wald. »Das Geistermädchen wird sagen: ›Aha, ein Hosenmenschenmann!‹ Und dann kannst du sie küssen.«
    »Ich habe dir doch schon gesagt, dass es nicht darum geht, das Geistermädchen zu küssen!«, wehrte sich Mau. »Ich… ich will nur sehen, ob die Hose irgend eine Wirkung auf mich hat, mehr nicht.«
    Er ging ein paar Schritte. Sie hatten die Hose im Fluss ausgespült und gegen einen Felsen geklatscht, damit sie weicher wurde, aber sie gab beim Laufen immer noch quietschende Geräusche von sich.
    Ihm war klar, dass das idiotisch war, aber wenn man sein Vertrauen nicht in die Götter setzen konnte, dann vielleicht in eine Hose. Immerhin hieß es doch in dem Lied über die Vier Brüder, der Nordwind hätte einen Mantel, der ihn durch die Lüfte trug.
    Und wenn man noch nicht einmal an ein Lied glauben konnte, das Gift in Bier verwandelte, woran sollte man dann überhaupt noch glauben?
    »Spürst du etwas?«, fragte Pilu. »Ja, sie scheuert am Struller!«
    »Ach so, das liegt wohl daran, dass du keine Unterhose trägst«, mutmaßte Pilu. »Das sind dünne, weichere Hosen, die man unter der äußeren anzieht.«
    »Heißt das, sogar die Hosen tragen Hosen?«
    »Ja, genau. Die Hosenmenschen glauben, dass man gar nicht genug Hose haben kann.«
    »Moment mal, was sind das denn für Dinger?«, sagte Mau und tastete mit den Fingern darin herum.
    »Ich weiß nicht«, sagte Pilu vorsichtig. »Was kann man damit machen?«
    »Sie fühlen sich an wie kleine Beutel in der Hose. Gar keine schlechte Idee!«
    »Hosentaschen«, sagte Pilu.
    Aber Hosen allein konnten die Welt auch nicht

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