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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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die umherirrten, sich Sorgen machten, krank waren und etwas zu essen brauchten. Manche wussten nicht einmal genau, wo sie gelandet waren, und alle hatten große Angst.
    Ein lärmender Haufen, wie die Großväter sagten. Diese Menschen hatte die Welle nicht verschluckt. Warum? Nicht einmal sie selbst wussten es. Vielleicht hatten sie sich an einem Baum festgehalten, während die anderen fortgerissen wurden, oder sie hatten sich auf höher gelegenem Grund aufgehalten oder wie Mau auf dem Meer.
    Sie waren zu ihren Dörfern zurückgekehrt, die nicht mehr existierten, hatten geplündert, was sich noch finden ließ, und brachen schließlich auf, um nach anderen Menschen zu suchen.
    Die Strömung hatte sie zusammengeführt, so dass sie eine Art schwimmendes Dorf bildeten – jedoch bestehend aus Kindern ohne Eltern, Eltern ohne Kinder, Ehefrauen ohne Ehemänner, aus Menschen ohne all jene Dinge um sie herum, die ihnen sagten, wer sie waren. Die Welle hatte ihre Welt erschüttert und nichts als Trümmer hinterlassen. Da draußen mochten noch Hunderte von ihnen sein.
    Doch dann… Woher waren sie gekommen, die Gerüchte über die Räuber? Ein Ausruf von Leuten, die panisch geflüchtet waren, ohne sich noch einmal umzudrehen? Der Traum einer alten Frau? Eine vorbeitreibende Leiche? Spielte das überhaupt eine Rolle, wenn völlig verängstigte Menschen sich wieder hinaus wagten, auf allem, was noch halbwegs schwimmen konnte, mit viel zu wenig Nahrung und schlechtem Wasser?
    So rollte eine zweite Welle über die Menschen hinweg und ließ sie in ihrer Furcht ertrinken.
    Und dann endlich sahen sie den Rauch. Fast alle hatten schon von der Nation gehört. Eine Felseninsel! Sie konnte nicht fortgespült worden sein! Sie hatte die besten Gottesanker der Welt!
    Und was sie dort vorfanden, war ein bunt zusammengewürfelter Haufen, dem es auch nicht viel besser ging als ihnen, mit einem alten Priester, einem seltsamen Geistermädchen und einem Häuptling, der weder Junge noch Mann war, der keine Seele hatte und vielleicht sogar ein Dämon war.
    Danke, Ataba, dachte Mau. Wenn sich die Leute nicht sicher sind, wer oder was man ist, können sie nicht mehr einschätzen, was man möglicherweise als Nächstes tut. Die Neuankömmlinge schienen misstrauisch gegenüber einem Häuptling zu sein, der kein Mann war, aber sie begegneten ihm fast mit dem Respekt, der gegenüber einem vermeintlichen Dämon angebracht war.
    Zwar hatte er davon geträumt, dass die Insel wieder voller Menschen wäre, aber in seinem Traum waren es die Menschen gewesen, die vorher hier gelebt hatten. Diese Menschen gehörten nicht hierher. Sie kannten weder die Lieder der Nation nicht, noch hatten sie die Insel im Blut. Sie fühlten sich hilflos und verloren, und sie sehnten sich nach ihren Göttern.
    Erst gestern hatten sie darüber gesprochen. Jemand fragte Mau, ob er sicher sei, dass der Wasseranker an der richtigen Stelle gestanden hatte, bevor die Welle kam. Darüber musste er angestrengt nachdenken und bemühte sich darum, keine Miene zu verziehen. Fast an jedem Tag seines früheren Lebens hatte er die Gottesanker gesehen. Aber waren auch alle drei da gewesen, als er zur Insel der Jungen gefahren war? Bestimmt wäre es ihm aufgefallen, wenn einer gefehlt hätte! So was konnte man doch nicht übersehen!
    Ja, hatte er gesagt, alle waren an ihrem Platz gewesen.
    Und dann hatte eine graugesichtige Frau gesagt: »Aber ein Mann allein könnte doch einen davon hochheben, oder?« Mau konnte sich schon vorstellen, worauf die Frage abzielte. Wenn jemand den Stein bewegt und ins Wasser gerollt hätte, könnte dadurch die Welle ausgelöst worden sein? Das wäre doch eine Erklärung, nicht wahr? Das hätte doch der Grund sein können, oder?
    Er hatte in die ausgezehrten Gesichter geblickt, die alle darauf warteten, dass er ja sagte. Sag ja, Mau, und verrate deinen Vater und deine Onkel und deine Nation, nur damit diese Menschen eine Erklärung haben.
    Die Großväter hatten wütend in seinem Kopf getobt, bis er glaubte, seine Ohren würden bluten. Wer waren diese Bettler von den winzigen Sandinseln denn überhaupt, dass sie hierherkamen und sie beleidigten? Ihre Stimmen brachten sein Blut zum Kochen, stachelten ihn auf, bis er ihre Kriegsgesänge in seinen Adern zu spüren glaubte. Mau musste sich regelrecht auf seinen Speer lehnen, damit er ihn nicht benutzte.
    Doch sein Blick hatte unverwandt auf der grauen Frau geruht.
    An ihren Namen konnte er sich nicht erinnern, aber er

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