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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zur Tür herein. Ach ja, und dieser schreckliche Papagei. Der war wirklich ein Ärgernis.
    Manchmal sah man ihn tagelang nicht, weil er begeistert seinen tiefen Hass auf die Pantalonvögel auslebte und mit großer Freude jede Gelegenheit nutzte, sie zu ärgern. Und immer dann, wenn man einen stillen und vielleicht sogar andächtigen Augenblick genoss, war er plötzlich wieder da und kreischte:
    »Zeig uns deinen… Unterrock!«
    Sie seufzte. Manchmal sollte die Welt einfach besser organisiert sein. Dann lauschte sie eine Weile und hörte, wie der Papagei endlich zum Berg davonflog.
    Richtig, dachte sie, eins nach dem anderen. Also setzte sie als Erstes einen Topf mit gepökeltem Rindfleisch auf die Feuerstelle, damit es vor sich hin köcheln konnte. Sie fügte ein paar Wurzeln hinzu, von denen Cahle gesagt hatte, dass sie gut waren, und die Hälfte einer sehr kleinen, roten Chilischote. Es durfte nur eine halbe sein, weil die so scharf waren, dass Daphne sich mit einer ganzen den Mund verbrannt hätte, auch wenn Mrs.
    Glucker sie sogar roh aß.
    Jedenfalls schuldete sie der alten Frau jetzt eine ganze Menge vorgekautes Fleisch.
    Und nun kam der große Test. Man durfte nicht zulassen, dass die Dinge nur einfach so geschahen. Wenn sie tatsächlich eine Frau mit Macht war, sollte sie das Heft in die Hand nehmen. Sie konnte nicht ewig das Geistermädchen bleiben, das von den Ereignissen herumgeschubst wurde.
    Richtig. Sollte sie sich hinknien? Hier schienen die Leute so etwas nicht zu tun, aber sie wollte schließlich nicht unhöflich sein, selbst wenn sie ein Gespräch mit sich selbst führte.
    Hände zusammen? Augen geschlossen? Es war so leicht, etwas falsch zu machen…
    Die Botschaft kam ohne Umschweife.
    »Du hast Funkel keinen Speer in die Hand gegeben«, sagte ihre eigene Stimme, noch bevor sie die Zeit gefunden hatte, sich zu überlegen, wie sie anfangen sollte. Sie dachte:
    Ach, du meine Güte, wer auch immer das ist, weiß, dass ich ihn im Stillen weiterhin Funkel nenne.
    »Bist du irgendein heidnischer Gott?«, sagte sie. »Ich habe darüber nachgedacht, und, nun ja, die Götter reden manchmal zu Menschen, und hier scheint es recht viele Götter zu geben. Ich will nur wissen, ob ich mit Blitz und Donner rechnen muss, das kann ich nämlich überhaupt nicht leiden. Aber vielleicht bin ich ja auch verrückt geworden und höre Stimmen. Allerdings habe ich diese Hypothese bereits verworfen, weil ich nicht glaube, dass Menschen, die wirklich verrückt geworden sind, von sich denken, dass sie verrückt sind. Daraus folgt: Wer sich fragt, ob er verrückt ist, ist nicht verrückt. Ich möchte nur wissen, mit wem ich es zu tun habe, wenn es dir nichts ausmacht.«
    Sie wartete. »Äh, entschuldige, dass ich dich heidnisch genannt habe«, fügte sie hinzu.
    Immer noch keine Antwort. Da sie nicht wusste, ob sie erleichtert sein sollte, beschloss sie, stattdessen ein bisschen verschnupft zu sein.
    Sie hüstelte. »Na gut. Wie du meinst«, sagte sie und stand auf.
    »Wenigstens habe ich es probiert. Entschuldige, dass ich deine Zeit in Anspruch genommen habe.« Sie machte sich daran, die Hütte zu verlassen.
    »
Wir hätten dem neugeborenen Jungen einen Speer in die Hand gegeben, damit er ein großer und starker Krieger wird und die Kinder anderer Frauen tötet
«, sagte die Stimme. »
So haben wir es gehalten. Der Stamm wollte es so, die Priester wollten es so, die Götter wollten es so. Und jetzt kommst du und weißt überhaupt nichts von diesen Bräuchen!
«, fuhr die Stimme fort. »
Also ist das Erste, was das Baby berührt, die Wärme seiner Mutter, und dann singst du ihm ein Lied über Sterne!
«
    Steckte sie jetzt in Schwierigkeiten? »Hör mal, das mit dem Funkel-Lied tut mir wirklich leid…«
    »
Das war ein gutes Lied für ein Kind
«, sagte die Stimme. »
Es begann mit einer Frage.
«
    Das alles wurde immer seltsamer. »
Habe ich nun etwas falsch gemacht oder nicht?
«
    »
Wieso kannst du uns hören? Wir werden vom Wind herum geweht, und unsere Stimmen sind schwach, aber du, ein Hosenmensch, hast unseren lautlosen Kampf gehört! Wie kann das sein?
«
    Hatte sie denn besonders darauf geachtet? Vielleicht hatte sie nach dem Tod ihrer Mutter und den unzähligen Stunden in der Kirche bloß nie aufgehört, nach einer Antwort zu lauschen. Voller Hoffnung hatte sie jedes Gebet gesprochen, das sie kannte, und sie hätte selbst eine geflüsterte Antwort gehört. Sie suchte gar nicht nach einer Entschuldigung. Sie hatte

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